OLG Karlsruhe zur Sperrung eines Nutzerkontos in sozialem Netzwerk

Eine Entscheidung zur Sperrung eines Nutzerkontos in einem sozialen Netzwerk hat das Oberlandesgericht Karlsruhe (Az. 14 U 150/23) getroffen. Die Entscheidung behandelt zentrale Fragen des Datenschutzes, der Vertragsfreiheit und der Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern. Insbesondere ging es darum, ob die fortgesetzte Speicherung personenbezogener Daten nach einer Sperrung oder Löschung eines Kontos rechtmäßig ist und unter welchen Voraussetzungen eine sofortige Kontosperrung ohne vorherige Anhörung des Nutzers zulässig sein kann.

Sachverhalt

Die Klägerin war Nutzerin eines sozialen Netzwerks, das von der Beklagten betrieben wird. Ihr Konto wurde nach dem Verdacht, dass darüber kinderpornografische Inhalte verbreitet wurden, vorübergehend gesperrt. Die Klägerin wurde nicht vorab angehört und wandte sich gegen die Sperrung sowie die weitere Speicherung ihrer Daten. Sie verlangte unter anderem die Löschung sämtlicher Sperrvermerke und Daten, die im Zusammenhang mit der Sperrung gespeichert wurden. Zudem forderte sie Schadensersatz und die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Das Landgericht Offenburg hatte die Klage weitgehend abgewiesen. Die Klägerin legte daraufhin Berufung zum OLG Karlsruhe ein.

Rechtliche Würdigung

1. Zulässigkeit der sofortigen Sperrung des Kontos ohne vorherige Anhörung

Das OLG Karlsruhe stellte fest, dass die sofortige Sperrung des Kontos ohne vorherige Anhörung der Klägerin zulässig war. Ausschlaggebend war der begründete Verdacht der Verbreitung kinderpornografischer Inhalte. Die Nutzungsbedingungen des Netzwerks enthielten eine Klausel, die eine sofortige Kündigung aus wichtigem Grund ermöglichte. Dies wurde als hinreichende Grundlage für die Maßnahme angesehen.

Das Gericht argumentierte, dass eine vorherige Anhörung in solchen Fällen nicht zwingend erforderlich sei, insbesondere wenn die Gefahr bestünde, dass durch Verzögerungen weitere rechtswidrige Inhalte verbreitet werden könnten. Auch im Rahmen der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) könne ein überwiegendes Interesse der Plattformbetreiber an der Wahrung der Sicherheit und Integrität ihres Dienstes eine sofortige Maßnahme rechtfertigen.

2. Speicherung personenbezogener Daten nach der Sperrung

Ein zentraler Punkt der Entscheidung war die Frage, ob die Beklagte die Daten der Klägerin nach der Sperrung weiter speichern durfte. Das Gericht bezog sich auf Art. 17 Abs. 1 DSGVO, wonach personenbezogene Daten zu löschen sind, wenn sie für die Zwecke, für die sie erhoben wurden, nicht mehr erforderlich sind.

Das Gericht stellte klar, dass die Speicherung personenbezogener Daten nach der Sperrung nicht mehr durch Art. 17 Abs. 3 lit. e DSGVO gerechtfertigt werden könne. Diese Vorschrift erlaubt eine Speicherung, wenn sie zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen erforderlich ist. Allerdings müsse eine realistische Möglichkeit bestehen, dass solche Ansprüche geltend gemacht werden. In diesem Fall sei dies jedoch unwahrscheinlich gewesen, da der Sachverhalt bereits Gegenstand eines abgeschlossenen gerichtlichen Verfahrens war und keine weiteren Ansprüche absehbar waren.

Die Beklagte wurde daher verurteilt, die im Zusammenhang mit der Sperrung gespeicherten Daten der Klägerin zu löschen.

3. Kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten

Die Klägerin forderte die Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Dies wurde jedoch vom OLG abgelehnt. Ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch setze voraus, dass sich die Beklagte in Verzug befunden habe oder eine unerlaubte Handlung vorliege. Beides war hier nicht der Fall, da die Beklagte die Sperrung auf einer vertretbaren rechtlichen Grundlage vorgenommen hatte und sich die Rechtslage nicht als eindeutig rechtswidrig darstellte.

Fazit

Das Urteil des OLG Karlsruhe verdeutlicht die komplexen rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Sperrung von Nutzerkonten auf Plattformen. Einerseits bestätigt das Gericht die Befugnis der Plattformbetreiber, Nutzerkonten bei schwerwiegenden Verdachtsmomenten ohne vorherige Anhörung zu sperren. Andererseits werden diesen Betreibern auch klare Grenzen hinsichtlich der Speicherung personenbezogener Daten gesetzt. Die Entscheidung betont die Bedeutung der DSGVO und der datenschutzrechtlichen Grundsätze auch im Bereich der digitalen Plattformregulierung.

Für Plattformbetreiber ergibt sich daraus die Notwendigkeit, ihre Sperr- und Löschungspraktiken sorgfältig zu gestalten und insbesondere die Löschung personenbezogener Daten nach einer Kontosperrung nicht zu vernachlässigen. Nutzer hingegen sollten sich bewusst sein, dass eine sofortige Sperrung rechtmäßig sein kann, jedoch ein Anspruch auf Löschung personenbezogener Daten bestehen kann, wenn die weitere Speicherung nicht mehr erforderlich ist.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

Erreichbarkeit: Per Mail, Rückruf, Threema oder Whatsapp.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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