Das Oberlandesgericht (OLG) Hamburg hat in seiner Entscheidung (1 Ws 32/24) die Verwertbarkeit von EncroChat-Dateien im Kontext des Konsumcannabisgesetzes (KCanG) geprüft und ist zu einem gegenteiligen Ergebnis im Vergleich zum Kammergericht (KG) Berlin gekommen. Während das KG Berlin die Verwertbarkeit ablehnte, bejahte das OLG Hamburg diese. Diese Besprechung wird die Argumentation des OLG Hamburg detailliert erläutern und die beiden Entscheidungen gegenüberstellen.
Sachverhalt
Im vorliegenden Fall wurden EncroChat-Daten als Beweismittel in einem Strafverfahren gegen den Angeklagten V. verwendet. Diese Daten wurden von französischen Behörden während einer groß angelegten Operation gegen den verschlüsselten Kommunikationsdienst EncroChat erhoben und den deutschen Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt. Nach Inkrafttreten des KCanG, das den Umgang mit Cannabis neu regelt, stellte sich die Frage, ob die bereits erhobenen und verwendeten Beweismittel weiterhin verwertbar sind.
Argumentation des OLG Hamburg
Verwertbarkeit vor dem 1. April 2024
Das OLG Hamburg argumentiert, dass die Rechtmäßigkeit der Verwertung von EncroChat-Daten, die vor dem Inkrafttreten des KCanG am 1. April 2024 in ein Strafverfahren eingeführt wurden, durch die neuen gesetzlichen Regelungen nicht berührt wird. Insbesondere führt das Gericht aus, dass für die Verwertbarkeit nach § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht der Zeitpunkt maßgeblich ist, zu dem die betroffenen Beweismittel in das Strafverfahren eingeführt wurden.
Keine Rückwirkung des KCanG
Das OLG Hamburg stellt klar, dass die Neuregelungen des KCanG keine rückwirkende Bedeutung für bereits abgeschlossene Verwertungen haben. Die Verwertung der EncroChat-Daten durch das Landgericht bleibt daher rechtmäßig, da sie nach altem Recht erfolgte, welches den Umgang mit Cannabis als Betäubungsmittel und somit als Katalogtat im Sinne des § 100b Abs. 2 StPO ansah.
Umgang mit Katalogtaten
Das Gericht weist darauf hin, dass die Taten, die zum Zeitpunkt der Anordnung der Beweiserhebung als Katalogtaten galten, weiterhin verwertbar bleiben. Dies gilt auch dann, wenn die rechtliche Einordnung durch das KCanG nachträglich geändert wurde und diese Taten nun nicht mehr als Katalogtaten eingestuft würden.
Kein Einfluss des KCanG auf anhängige Verfahren
Für anhängige Verfahren gilt die neue Rechtslage nur insoweit, als sie eine unmittelbare Anordnung betrifft. Eine bereits erfolgte Beweiserhebung und deren Verwertung in einem anhängigen Verfahren unterliegen jedoch der zum Zeitpunkt der Maßnahme geltenden Rechtslage. Dies bedeutet, dass die Verwertung von EncroChat-Daten, die vor dem Inkrafttreten des KCanG erlangt und verwendet wurden, rechtmäßig bleibt.
Gegenüberstellung mit der Entscheidung des KG Berlin
Entscheidung des Kammergerichts Berlin
Das KG Berlin (5 Ws 67/24) kam in einem vergleichbaren Fall zu dem Ergebnis, dass die EncroChat-Daten nach Inkrafttreten des KCanG nicht weiter verwertbar seien. Das Gericht argumentierte, dass die neuen Regelungen des KCanG den Umgang mit Cannabis nicht mehr als Katalogtat erfassen, was zur Folge hat, dass die Beweismittel, die auf diese Taten bezogen sind, nicht mehr verwertet werden dürfen.
Unterschiedliche Ansätze
Der Hauptunterschied zwischen den beiden Entscheidungen liegt in der Interpretation der Übergangsbestimmungen und der Rückwirkung des KCanG. Das KG Berlin legt die neuen Bestimmungen restriktiv aus und verweigert die Verwertbarkeit der EncroChat-Daten, während das OLG Hamburg eine großzügigere Auslegung bevorzugt und die Daten weiterhin als verwertbar ansieht, sofern sie vor dem Inkrafttreten des KCanG erhoben wurden.
Fazit und Auswirkungen
Die divergierenden Entscheidungen des OLG Hamburg und des KG Berlin zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten unter der Wirkung des KCanG zeigen, dass die rechtliche Behandlung von Beweismitteln im Zuge neuer Gesetzgebungen komplex und interpretationsbedürftig ist. Diese Uneinheitlichkeit könnte letztlich zu einer Klärung durch den Bundesgerichtshof führen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten. Für die Betroffenen bedeutet dies derzeit eine Rechtsunsicherheit, da die Verwertbarkeit der Beweismittel von der regionalen Gerichtsbarkeit abhängt.
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