Das Kammergericht Berlin (KG) hat sich im Beschluss vom 30. April 2024 (Az. 5 Ws 67/24) mit der Frage der Verwertbarkeit von EncroChat-Daten im Lichte des neuen Konsumcannabisgesetzes (KCanG) auseinandergesetzt.
Die Entscheidung beruht auf der gesetzlichen Neuregelung des Umgangs mit Cannabis, die am 1. April 2024 in Kraft getreten ist. Diese Regelung hat möglicherweise weitreichende Auswirkungen auf die Strafverfolgung, insbesondere hinsichtlich der Verwendung von durch EncroChat gewonnenen Beweismitteln.
Sachverhalt
Die Angeklagten P. und S. wurden aufgrund von Kommunikation über den verschlüsselten Messengerdienst EncroChat beschuldigt, im April 2020 30 Kilogramm Marihuana verkauft zu haben. Diese Kommunikation stellte das Hauptbeweismittel dar und wurde von französischen Behörden im Rahmen einer Europäischen Ermittlungsanordnung an die deutschen Strafverfolgungsbehörden übermittelt.
Rechtliche Analyse
Verwertbarkeit von EncroChat-Daten
Das KG hat festgestellt, dass die Daten aus EncroChat aufgrund der neuen Rechtslage nicht mehr verwertbar sind. Wesentlicher Grund hierfür ist, dass die Tat des Handeltreibens mit Cannabis in nicht geringer Menge durch das neue KCanG ihren Status als Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO verloren hat.
Gesetzliche Grundlagen
Die Verwertung von Beweismitteln, die durch eine Europäische Ermittlungsanordnung erlangt wurden, richtet sich nach § 261 StPO. Diese Vorschrift erlaubt die Verwendung solcher Beweise nur zur Verfolgung von Straftaten, die besonders schwerwiegend sind und deren Erforschung auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos ist. Im vorliegenden Fall entfällt jedoch die Qualifikation als Katalogtat nach § 100b Abs. 2 StPO, da das neue KCanG den Umgang mit Cannabis neu regelt und diesen nicht mehr als Betäubungsmittel behandelt.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und Grundrechtseingriffe
Das Gericht betonte, dass bei der Verwertung von Daten, die durch intensive Grundrechtseingriffe wie heimliche Ermittlungsmaßnahmen erlangt wurden, die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben muss. Da der Umgang mit Cannabis nun anders gesetzlich geregelt ist, greift hier der Grundsatz, dass neuere, mildere Gesetze auf anhängige Verfahren anzuwenden sind.
Auswirkungen des Konsumcannabisgesetzes
Das KCanG hat wesentliche Änderungen im Umgang mit Cannabis eingeführt. So wird der Besitz und Handel mit bestimmten Mengen Cannabis nicht mehr als Straftat gemäß dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) behandelt, sondern unterliegt neuen Regelungen, die weniger strenge strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Dies beeinflusst die Einstufung als Katalogtat und somit die Verwertbarkeit von Beweismitteln aus EncroChat-Daten im Strafverfahren.
Ausblick
Das Kammergericht Berlin hat durch den Beschluss vom 30. April 2024 (Az. 5 Ws 67/24) klargestellt, dass EncroChat-Daten, die sich auf den Handel mit Cannabis beziehen, nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr verwertbar sind. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung der Anpassung der Strafverfolgung an geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen und die Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Verwertung von Beweismitteln, die durch intensive Eingriffe in Grundrechte erlangt wurden. Allerdings gibt es schon Streit zu dem Thema: Das OLG Hamburg sieht es anders!
- Captagon im deutschen Strafrecht: Ein Überblick - 8. Oktober 2024
- Perfctl: Neue, heimtückische Malware, die Millionen von Linux-Servern bedroht - 7. Oktober 2024
- Datenschutzverstöße durch E-Mail-Weiterleitung: Haftungsrisiken für Geschäftsführer - 6. Oktober 2024