OLG Düsseldorf: Bewerbung von „KISS-Syndrom“ und „KIDD-Syndrom“ unzulässig

Das Oberlandesgericht Düsseldorf (20 U 107/13) hat sich mit dem „KISS-Syndrom“ und „KIDD-Syndrom“ auseinandergesetzt. Es ging um einen Physiotherapeuten, der auf seiner Webseite diese Syndrome beschrieben und mit Therapien in diesem Bereich geworben hat. Das OLG war der Auffassung, dass die geschilderten Krankheitsbilder nicht umfassend anerkannt sind. Somit ist die Werbung in diesem Bereich grundsätzlich zu unterlassen.


Aus der Entscheidung:

Diese geschäftlichen Handlungen sind gemäß § 3 Abs. 1 und 2 UWG unzulässig. Sie sind unlauter, da ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG in Verbindung mit § 3 Nr. 1 HWG vorliegt. Nach der zuletzt genannten Norm liegt eine unzulässige vor, wenn Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln eine therapeutische Wirksamkeit oder Wirkungen beigelegt werden, die sie nicht haben. Damit stellt § 3 Nr. 1 HWG eine gesetzliche Vorschrift dar, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, § 4 Nr. 11 UWG. Eine Irreführung im Sinne von § 3 Nr. 1 HWG ist dabei bereits dann anzunehmen, wenn einem Produkt eine therapeutische Wirksamkeit als objektiv richtig beigemessen wird, diese Wirksamkeit fachlich aber (noch) umstritten ist. Dass sowohl der Schluss von den vom Antragsgegner unter den Bezeichnungen „KISS-Syndrom“ und „KIDD-Syndrom“ benannten Auffälligkeiten auf einen therapiebedürftigen pathologischen Zustand als auch die Wirksamkeit des hierauf vom Antragsgegner angewandten manualmedizinischen Verfahrens fachlich umstritten sind, ist unstreitig. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem vom Antragsgegner in der Sitzung am 08.10.2013 vorgelegten Artikel, wonach die X. die Kosten einer „KISS-Therapie“ nunmehr übernimmt. Letzteres ist nicht geeignet, auf eine zwischenzeitliche Änderung der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu schließen. Wann und weshalb Krankenkassen bestimmte Kosten übernehmen, ist nicht allein eine Frage des wissenschaftlichen Beweises einer Wirksamkeit der entsprechenden Behandlung, sondern hängt von diversen, zum Teil auch betriebswirtschaftlichen Erwägungen der Kassen ab. Die Erstattung bestimmter Kosten dient allein ihrem Bestreben, bestimmte Bevölkerungsteile an sich zu binden. Auf die in Fachkreisen herrschenden Unstimmigkeiten die Wirksamkeit einer „KISS-/KIDD-Therapie“ betreffend hat der Antragsgegner in der Veröffentlichung gemäß Anlage A 3 nicht hingewiesen. Jedenfalls fehlt es dort an einem Hinweis in ernsthafter Form. Der Zusatz „Diese Behandlungsmethode ist schulmedizinisch nicht erwiesen, doch sie zeigte sich bei unserem Sohn mit Erfolg.“ ist aus der Sicht des angesprochenen Verkehrskreises, bei dem es sich um eine unbestimmte Vielzahl von Personen, mithin den Durchschnittsverbraucher handelt, nicht so zu verstehen, dass damit die objektive Richtigkeit der zuvor ausführlich getätigten Aussagen über Ursache, Wirkung und Behandlungsbedürftigkeit in Frage gestellt wird. Vielmehr wird, wie der Antragsteller zutreffend ausgeführt hat, ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Durchschnittsverbraucher diesen Zusatz als bloße Kritik an der „uneinsichtigen“ Schulmedizin verstehen, die, ohne objektive Veranlassung hierzu zu haben, sich aufdrängenden Erkenntnissen verschließt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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