Dass es sich bei einem „Reiseausweis für Flüchtlinge“ („Blauer Pass“), der in Deutschland von den Ausländerbehörden als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannten Personen als amtliches Reisedokument ausgestellt wird (s. Art. 28 Abs. 1 Genfer Flüchtlingskonvention; § 1 Abs. 3, § 4 Abs. 1 Nr. 3 AufenthV), um ein Ausweispapier im Sinne des § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB handelt, hat der Bundesgerichtshof (3 StR 238/22) klargestellt.
Dabei wird mit dem BGH der Straftatbestand in der zweiten Variante des § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB bereits durch die Übergabe eines Ausweises an eine andere Person erfüllt, wenn diese – vom Vorsatz des Täters umfasst – das Dokument an einen Dritten weitergeben soll, für den es nicht ausgestellt ist, damit der es seinerseits zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht:
Dabei ist nicht erforderlich, dass das Ausweispapier auf einen der Überlassenden ausgestellt ist (vgl. Fischer, StGB, 69. Aufl., § 281 Rn. 3a; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl., § 281 Rn. 6; LK/Zieschang, StGB, 12. Aufl., § 281 Rn. 10). Auch ist unerheblich, ob es nachfolgend zu einem (versuchten) Gebrauch des Dokuments zur Täuschung im Rechtsverkehr kommt (MüKoStGB/Erb, 4. Aufl., § 281 Rn. 11; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl., § 281 Rn. 6).
Insofern begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass das Landgericht den Angeklagten A. … im Fall II. 2. des versuchten gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern in Tateinheit mit – vollendetem – Missbrauch von Ausweispapieren gemäß § 281 Abs. 1 Satz 1 Variante 2 StGB schuldig gesprochen hat. Denn er veranlasste, dass der Angeklagte H. den Reiseausweis seiner Schwester erhielt; zudem wies er den Angeklagten H. an, den Ausweis der Schleusungswilligen als Einreisedokument zur rechtsmissbräuchlichen Nutzung in Gestalt der Täuschung über ihre Identität (vgl. insofern BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020 – 5 StR 146/19, BGHSt 65, 98 Rn. 13) zu übergeben.
BGH, 3 StR 238/22
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