Als das OLG Hamburg (2-27/09) Anfang dieses Jahres feststellte, dass schon beim Betrachten von Bildern aus dem Internet – ohne dass diese dauerhaft gespeichert werden, auch nicht im Browser-Cache – Besitz vorliegt, gab es heftige Diskussionen dazu. Auch ich habe mich mit dem Urteil sehr ausgiebig beschäftigt und sagte dem Begriff des „normativen Besitzes“ eine gefährliche Zukunft voraus. Das LG Kiel (8 Kls 2/10) demonstriert nun, wie gefährlich.
Die bisher nicht öffentlich beachtete Entscheidung des LG Kiel beschäftigt sich nur u.a. mit der Frage der Inbesitznahme durch Betrachten. In erster Linie geht es in dem umfangreichen Urteil um eindeutige Sachverhalte. Vielleicht auch vor dem Hintergrund der sehr zahlreichen und auch eindeutigen Sachverhalte, hat das Gericht zwischendurch etwas schlampiger gearbeitet. Es ging um die Frage ob der Angeklagte in einigen unklaren Fällen Besitz erlangt hat. Hier fällt dann folgende Äusserung, die in dieser Form doch schockiert:
Das ist bei elektronischen Bilddateien, die über das Internet übersandt oder bezogen werden, ohne Weiteres dann der Fall, wenn der Empfänger eine ihm übersandte Bilddatei dauerhaft auf seinem Rechner speichert, aber auch bereits dann, wenn er den ihm zugänglich gemachten Link zu dem Bild (vgl. dazu BGH, NJW 2001, 3558 ff. sub II. 3.b.bb) aktiviert, um sich das Bild anzuschauen, und in den Arbeits- oder Cache-Speicher seines Rechners lädt (vgl. BGH, NStZ 2007, 95; OLG Hamburg, StV 2009, 469 ff.; OLG Schleswig, NStZ-RR 2007, 41 ff.) oder dieses auch nur versucht (OLG Schleswig a. a. O.).
Da stehen drei Aussagen, die der Reihe nach die Strafbarkeit immer weiter in unbestimmte Bereiche verlagern:
- Ein zugeschicktes Bild wird auf dem Rechner gespeichert (keine Frage!)
- Ein zugeschickter Link wird aktiviert um sich ein Bild anzusehen (hier wird bereits das Klicken auf einen Link als strafbare Handlung erkannt!)
- Wer Nr.2 auch nur versucht (Sprich: Wer auf einen Link klickt in der Erwartung dahinter entsprechende kinderpornographische Daten zu finden, der macht sich strafbar, auch wenn sie dort nicht liegen)
Das oben stehende alleine ist an sich schon seltsam genug – doch es geht weiter. Bei der Tatsachenfeststellung stand die Kammer vor dem Problem, dem Angeklagten etwas nachweisen zu müssen. Da kann man dann fassungslos nachlesen:
Zwar hat weder die fragliche Bilddatei auf dem Rechner des Angeklagten aufgefunden werden können – was nicht heißt, dass sie sich nicht auf der Festplatte befand, da ihre schlichte Umbenennung sie unter den „zigtausenden“ von Bilddateien praktisch unauffindbar gemacht hätte -, noch enthält das Protokoll des Chats Hinweise auf eine Aktivierung des Links.
Er hatte das Bild also nicht auf dem Rechner. Gleichwohl wird betont, dass er es sehr wohl dennoch haben könnte, immerhin versteckt er es ja vielleicht. Zugleich zeigt sich das technische (Un-)Verständnis der Richter, die nicht nur die Begrifflichkeit eines „aktivierten Links“ nutzen, sondern auch noch in Chat-Protokollen suchen wollen, ob ein im Chat verschickter Link angeklickt wurde. Da staunt der fortgeschrittene Nutzer.
Wie man letztlich dem Angeklagten den Besitz „nachgewiesen“ hat, liest man hier: Man ging davon aus, dass er die entsprechende Datei besessen hat, weil
er gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. B. erklärt hat, dass er praktisch alle Dateien aus dem Internet herunter geladen habe, auf die er eine Zugriffsmöglichkeit erhalten habe.
Die Kammer musste vor diesem Hintergrund nur noch das Problem lösen, wie man den Vorsatz nachweisen kann, also die Erwartung beim Klick auf den Link, solche Bilder zu erwarten. Auch das geht dann ganz einfach:
Dass der Angeklagte dabei – dies gilt in gleicher Weise auch für alle weiteren noch zu erörternden Fälle – damit rechnete, dass das hinter dem Link verborgene Bild einen kinderpornographischen Charakter haben könnte, und diesen Umstand billigte, folgt zur Überzeugung der Kammer daraus, dass es ihm angesichts seiner sexuellen Orientierung – wie er gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. B. eingeräumt hat – gerade darum ging, sich gerade solches Material – und sei es auch nur zum Zwecke des Austausches mit anderen Pädophilen – zu beschaffen.
Durch die allgemein gehaltenen Aussagen wird im Ergebnis also ein Vorsatz angenommen, mit dem eine Strafbarkeit konstatiert wird, die bereits beim Klick auf Links vorliegen soll. Das Ergebnis dieser Sichtweise findet sich sodann (konsequent) beim LG Kiel im Folgenden, wenn festgestellt wird, dass
- Das Verschicken entsprechender Links nach §184b II StGB strafbar sein soll, ggfs. nach §184a StGB.
- Der Empfang von Links bereits strafbar ist nach §184b IV StGB, weil ja hier schon ein Besitz vorliegen soll.
- Das Versenden von Links desweiteren nach §184 I Nr.6 StGB strafbar sein soll.
Speziell letzteres lässt sich auch auf Webseiten übertragen: Wer einen Link zu entsprechendem Material verbreitet, macht sich strafbar nach §184 I Nr.6 StGB. Dabei ist an dieser Stelle festzuhalten, dass die Grenze der Kinderpornographie inzwischen verlassen wurde, beim §184 StGB geht es nur noch um „pornographische Schriften“. Die Frage, ob die Linksetzung ein Verbreiten ist, ist seit je her umstritten, ich denke man kann aber sagen, dass die Rechtsprechung zunehmend das Verbreiten annimmt (wie hier das LG Kiel). Insofern sollte man sich als Webseitenbetreiber den §184 StGB mal in den relevanten Auszügen ansehen:
Wer pornographische Schriften (§ 11 Abs. 3) einer Person unter achtzehn Jahren anbietet, überläßt oder zugänglich macht, [… oder] an einen anderen gelangen läßt, ohne von diesem hierzu aufgefordert zu sein, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
Fazit: Die Entscheidung des LG Kiel verdient eine erhebliche Beachtung, da sie sich sehr dezidiert mit der strafrechtlichen Relevanz von Links beschäftigt. In diesem kurzen Hinweis habe ich versucht klar zu machen, dass der Tunnelblick auf Kinderpornographie (auch wenn es beim LG Kiel alleine darum ging) nicht angebracht ist: Die dort aufgestellten Grundsäze, die man auch bei anderen Gerichten findet, lassen sich auf jeglichen pornographischen (§184 StGB) oder speziell gewalttätigen (§184a StGB) Inhalt übertragen, was beim LG Kiel teilweise auch geschehen ist.
Die Problematik der Linksetzung wird damit nochmals deutlich, insbesondere wenn ich auf die zahlreichen Videoportale und die unbedarfte Linksetzung mancher Webmaster blicke. Jedenfalls wer heute Inhalte verlinkt muss sich darüber im Klaren sein, dass er diese zur Zeit im Regelfall zugleich mit strafrechtlicher Relevanz verbreiten wird. Die Rechtsprechung agiert hier (zumindest zur Zeit) eindeutig Ergebnisorientiert under Blick nach oben zeigt nicht nur die damit einhergehende Vorverlagerung des strafrechtlich relevanten Bereichs in gefährliche Gebiete des Gesinnungsstrafrechts, sondern man muss sich im Klaren sein, dass die Frage der Verantwortlichkeit von Kettenlinks („Link zum Link zum Inhalt“) damit drängender wird.
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