LG Aachen zur nachträglichen Gesamtstrafe nach KCanG

Das Landgericht (LG) Aachen hat in einem interessanten Beschluss (69 KLs 17/19 vom 29.04.2024) eine Neufestsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe für einen Angeklagten vorgenommen, der wegen mehrerer Drogendelikte verurteilt wurde. Diese Entscheidung steht im Kontext des Konsumcannabisgesetzes (KCanG), das am 1. April 2024 in Kraft trat und grundlegende Änderungen im Betäubungsmittelrecht brachte. Der Beschluss beleuchtet die Anwendung von Art. 313 und Art. 316p EGStGB sowie die Vorschriften zur Strafaussetzung zur nach § 56 StGB.

Sachverhalt

Der Angeklagte wurde ursprünglich am 25. August 2022 wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Verurteilung umfasste folgende Taten:

  1. Verkauf von 1 kg Marihuana am 22.10.2017:
  • Wirkstoffmenge: 150 g THC
  • Strafmaß: Ein Jahr und sechs Monate
  1. Besitz von 281,82 g Marihuana am 07.02.2019:
  • Wirkstoffmenge: 43,2 g THC
  • Strafmaß: Ein Jahr und zwei Monate
  1. Besitz von 7,28 g Haschisch während der Haft am 30.12.2019:
  • Strafmaß: Drei Monate

Aufgrund des neuen KCanG wurde die Tat vom 30.12.2019 straffrei, was eine Neufestsetzung der Gesamtstrafe erforderlich machte.

Rechtliche Analyse

Anwendung von Art. 313 und 316p EGStGB

Art. 313 EGStGB sieht vor, dass eine Gesamtstrafe neu festzusetzen ist, wenn eine Einzelstrafe nachträglich straflos wird. Art. 316p EGStGB verweist auf die entsprechende Anwendung von Art. 313 EGStGB für Strafen, die vor dem Inkrafttreten des KCanG verhängt wurden. Da der Erwerb von weniger als 25 Gramm nun nicht mehr strafbar ist, musste die ursprüngliche Gesamtstrafe angepasst werden.

Neufestsetzung der Gesamtstrafe

Das Gericht setzte die verbleibenden Einzelstrafen wie folgt neu fest:

  • Ein Jahr und sechs Monate für die Tat vom 22.10.2017
  • Ein Jahr und zwei Monate für die Tat vom 07.02.2019

Diese Strafen wurden zu einer neuen Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten zusammengefasst, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Drei Monate der Strafe wurden als vollstreckt erklärt aufgrund einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung.

Bewährungsentscheidung

Die Vollstreckung der neu festgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe wurde gemäß § 56 StGB zur Bewährung ausgesetzt. Das Gericht sah die Voraussetzungen für eine günstige Prognose als erfüllt an, da der Angeklagte seine Lebensverhältnisse stabilisiert hatte und keine neuen Straftaten mehr begangen hatte. Besonders berücksichtigt wurde sein vorbildliches Verhalten in der Haft und die Annahme aller Behandlungsangebote.

Fazit

Die Entscheidung des LG Aachen verdeutlicht die Auswirkungen des neuen Konsumcannabisgesetzes auf bestehende Verurteilungen und die Anwendung von Art. 313 und 316p EGStGB. Sie zeigt, wie gesetzliche Änderungen zur Entkriminalisierung kleiner Mengen Cannabis die beeinflussen können. Trotz der Neufestsetzung bleibt die Strafe für schwerwiegendere Delikte bestehen, was die differenzierte Betrachtung bei der Strafzumessung unterstreicht. Die zur Bewährung reflektiert die positive Entwicklung des Angeklagten und die Möglichkeiten des Resozialisierungsprozesses.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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