Hanseatisches OLG: Unwirksame Vertragsverlängerung bei Mobilfunkverträgen

Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hat mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (Az.: 10 U 1/24) eine AGB-Klausel eines Telekommunikationsunternehmens für unwirksam erklärt, die es ermöglichte, Mobilfunkverträge über die gesetzliche Höchstdauer hinaus zu verlängern. Die Richter sahen darin einen Verstoß gegen § 309 Nr. 9 lit. a) BGB, da Verbraucher durch die Regelung länger als die erlaubten 24 Monate gebunden wurden. Diese Entscheidung hat weitreichende Auswirkungen für Mobilfunkanbieter und stärkt die Rechte der Verbraucher.

Hinweis: Wir übernehmen im keine Mandate von Verbrauchern!

Sachverhalt

Ein Verbraucherschutzverband hatte gegen einen Anbieter von Glasfaser-Internetanschlüssen geklagt, der in seinen AGB festgelegt hatte, dass die Vertragslaufzeit nicht mit dem Vertragsabschluss, sondern erst mit der tatsächlichen Freischaltung des Anschlusses beginne. Dies führte dazu, dass sich die vertragliche Mindestlaufzeit von 24 Monaten faktisch um die Zeit verlängerte, die zwischen Vertragsabschluss und der Bereitstellung des Anschlusses verging – eine Wartezeit, die sich in der Praxis über mehrere Wochen oder gar Monate erstrecken konnte.

Der Verbraucherschutzverband argumentierte, dass eine solche Vertragsgestaltung gegen das gesetzliche Verbot überlanger Vertragsbindungen verstoße und Verbraucher unangemessen benachteilige. Da die 24-monatige Höchstlaufzeit bereits mit dem Vertragsschluss beginnen müsse, sei jede darüber hinausgehende Laufzeit unzulässig.

Entscheidung des Hanseatischen OLG

Das OLG folgte der Argumentation des Klägers und erklärte die AGB-Klausel für unwirksam. Die Richter betonten, dass der Schutzgedanke des § 309 Nr. 9 lit. a) BGB gerade darin liege, Verbraucher nicht über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren an einen Anbieter zu binden. Die Vertragslaufzeit beginne mit dem Vertragsschluss und nicht erst mit der Leistungserbringung.

Zudem wurde die Klausel auch als intransparent bewertet. Ein durchschnittlicher Verbraucher könne nicht ohne Weiteres erkennen, dass sich die vertragliche Bindung über die vermeintlich fixen 24 Monate hinaus erstrecken könne. Dies verstoße gegen das in § 307 BGB verankerte Transparenzgebot.

Die Beklagte argumentierte, dass die Vertragsgestaltung notwendig sei, um die hohen Investitionskosten für den Glasfaserausbau abzusichern. Das Gericht ließ dieses Argument nicht gelten und verwies darauf, dass Telekommunikationsunternehmen alternative Preismodelle nutzen könnten, um ihre Kosten zu decken – etwa durch höhere Anschlussgebühren oder staatliche Fördermittel.

Rechtliche Würdigung

Die Entscheidung fügt sich in die strenge Linie der deutschen und europäischen Rechtsprechung ein, die darauf abzielt, Verbraucher vor überlangen Vertragslaufzeiten und intransparenten Vertragskonditionen zu schützen. Der Gesetzgeber hat bewusst eine maximale Vertragslaufzeit von 24 Monaten vorgesehen, um den Wettbewerb im Telekommunikationssektor zu fördern und Verbrauchern regelmäßige Wechselmöglichkeiten zu ermöglichen.

Das Gericht macht deutlich, dass Unternehmen keine Vertragskonstruktionen wählen dürfen, die faktisch zu einer Umgehung dieser Regelung führen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Beginn der Vertragslaufzeit künstlich verzögert wird.

Die Argumentation der Beklagten, dass ihre Praxis marktüblich sei, ließ das Gericht nicht gelten. Eine weitverbreitete Praxis führe nicht automatisch dazu, dass eine Klausel zulässig sei. Entscheidend sei allein, ob sie Verbraucher unangemessen benachteilige und dem gesetzlichen Leitbild widerspreche.


Fazit

Mit diesem Urteil setzt das Hanseatische OLG ein klares Zeichen für mehr Verbraucherschutz im Telekommunikationsmarkt. Mobilfunk- und Internetanbieter müssen sicherstellen, dass ihre Vertragslaufzeiten den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und keine faktische Vertragsverlängerung durch spätere Freischaltung entsteht. Die Entscheidung wird voraussichtlich dazu führen, dass zahlreiche Anbieter ihre AGB überarbeiten müssen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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