Folgen einer Abmahnung bei später widerrufenem Patent

In einem aufschlussreichen Urteil vom 30. April 2025 (Az. 2 U 45/24) hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf eine praxisrelevante Klarstellung zur zivilrechtlichen Verantwortlichkeit bei unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen getroffen. Die Entscheidung betrifft insbesondere die Frage, ob ein Patentinhaber für die wirtschaftlichen Folgen einer haftet, wenn sich das zugrunde liegende Patent später als nicht rechtsbeständig erweist. Das Urteil ist im Umfeld von Abmahnungen für Unternehmen mit forschungsnaher Produktentwicklung ebenso bedeutsam wie für Generikahersteller im Pharmabereich.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Tochterunternehmen eines international tätigen Generikaherstellers, plante den Markteintritt eines Generikums, das Oxycodon und Naloxon kombiniert. Die Beklagte, Inhaberin mehrerer europäischer Patente, hatte gegen diese Absicht mit anwaltlichem Schreiben verwarnend interveniert und auf ihre Schutzrechte verwiesen. In der Folgezeit kam es nicht zur Einigung, jedoch auch nicht zu einer einstweiligen Verfügung gegen die Klägerin.

Später wurde das maßgebliche Patent – wie auch mehrere Teilanmeldungen – vom Europäischen Patentamt widerrufen. Die Klägerin sah in der ursprünglichen Abmahnung nun eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und begehrte Schadensersatz. Dabei verwies sie auf eine zuvor abgegebene Unterlassungsverpflichtungserklärung, in der sich die Beklagte das Recht vorbehalten hatte, im Fall des Widerrufs Ansprüche geltend zu machen.

Rechtliche Würdigung

Keine verschuldensunabhängige Haftung des Abmahnenden

Das OLG Düsseldorf erteilte einer verschuldensunabhängigen Haftung des Abmahnenden für den Fall eines späteren Patentwiderrufs eine klare Absage. Die pauschale Geltendmachung von Ersatzansprüchen sei weder dem Wortlaut der noch dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB zu entnehmen. Eine derartige Klausel müsse explizit und unmissverständlich vereinbart sein, was hier nicht der Fall war.

Vertrauen auf die Entscheidung des Patentamts

Das Gericht stellt zudem klar, dass ein Patentinhaber grundsätzlich auf die Erteilungsentscheidung des Europäischen Patentamts vertrauen darf – insbesondere dann, wenn diese trotz substantiierter Einwendungen Dritter erfolgt ist. Der Umstand, dass dieselben Patente bereits zu erfolgreichen einstweiligen Verfügungen gegen Dritte geführt hatten, unterstreicht die Vertretbarkeit des Vorgehens der Beklagten.

Keine Pflicht zur Zweitprüfung bei Einspruch

Interessant ist auch die Feststellung, dass selbst ein laufendes Einspruchsverfahren beim EPA keine Pflicht zur erneuten Prüfung durch den Patentinhaber auslöst, sofern die geltend gemachten Widerrufsgründe bereits im Erteilungsverfahren behandelt wurden. Dies schütze den Rechtsverkehr und ermögliche eine verlässliche Handhabung von Schutzrechten.


Fazit

Das Urteil liefert eine überzeugende und wirtschaftsfreundliche Konklusion: Wer Schutzrechte geltend macht, darf im Grundsatz auf deren Bestandskraft vertrauen – zumindest solange keine neuen, schwerwiegenden Zweifel aufkommen. Eine Haftung wegen unberechtigter Schutzrechtsverwarnung setzt Verschulden voraus, das hier nicht vorlag.

Unternehmen, die vorschnell auf Patentverwarnungen mit Schadensersatzklagen reagieren, sollten die differenzierte Argumentation des OLG Düsseldorf zur Kenntnis nehmen. Die Entscheidung stärkt die Rechtssicherheit im gewerblichen Rechtsschutz und mahnt zugleich zu einer sorgfältigen Formulierung von Unterlassungserklärungen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht mit Schwerpunkt Cybercrime, Cybersecurity & Softwarerecht. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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