In der Rechtssache C-65/23 stand die Vereinbarkeit einer nationalen Kollektivvereinbarung mit den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) im Fokus. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob und in welchem Umfang Betriebsvereinbarungen die Verarbeitung personenbezogener Daten regeln können. Das Urteil beleuchtet den Spielraum der Sozialpartner und definiert die Grenzen einer zulässigen Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext.
Sachverhalt
Geklagt hatte eine Mitarbeiterin (im Folgenden MK), die geltend machte, ihr Arbeitgeber, die K GmbH, habe im Rahmen einer Betriebsvereinbarung Daten rechtswidrig verarbeitet und damit einen immateriellen Schaden verursacht. Die Betriebsvereinbarung regelte umfassend die Verarbeitung personenbezogener Daten der Beschäftigten, ohne dass die Erforderlichkeit der Datenverarbeitung konkret begründet wurde. MK forderte Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO.
Das Bundesarbeitsgericht (Deutschland) legte dem EuGH vorab mehrere Fragen zur Auslegung der DSGVO vor. Insbesondere ging es um die Auslegung der Artikel 88 DSGVO, der spezifische Vorschriften für den Beschäftigungskontext zulässt, und die grundsätzlichen Anforderungen aus den Artikeln 5, 6 und 9 DSGVO.
Rechtliche Würdigung durch den EuGH
Spielraum der Kollektivvereinbarungen
Der EuGH stellte klar, dass Art. 88 DSGVO es den Mitgliedstaaten erlaubt, spezifischere Vorschriften für die Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext einzuführen, solange diese mit den allgemeinen Prinzipien der DSGVO, insbesondere den Grundsätzen aus Art. 5 DSGVO, in Einklang stehen. Der Gerichtshof betonte jedoch, dass der Spielraum der Sozialpartner nicht unbegrenzt ist. So müssen Betriebsvereinbarungen klar darlegen, warum eine bestimmte Datenverarbeitung erforderlich ist und welche konkreten Zwecke verfolgt werden.
Anforderungen an die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit
Der EuGH hob hervor, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c und f DSGVO stets auf einer rechtmäßigen Grundlage beruhen muss. Auch wenn Kollektivvereinbarungen als Grundlage herangezogen werden, ist deren Inhalt an den Maßstäben der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit zu messen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sensible Daten im Sinne von Art. 9 DSGVO betroffen sind.
Gerichtliche Überprüfbarkeit
Das Urteil unterstreicht, dass nationale Gerichte die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch Kollektivvereinbarungen überprüfen können. Eine gerichtliche Kontrolle darf nicht durch pauschale Verweise auf die Autonomie der Sozialpartner eingeschränkt werden. Vielmehr müssen Gerichte sicherstellen, dass die in der DSGVO verankerten Grundrechte gewahrt bleiben.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil hat weitreichende Folgen für Arbeitgeber und Betriebsräte. Es verdeutlicht, dass Betriebsvereinbarungen, die die Verarbeitung von Beschäftigtendaten regeln, einer strengen datenschutzrechtlichen Prüfung standhalten müssen. Der Spielraum der Sozialpartner ist nicht grenzenlos, und der Schutz personenbezogener Daten bleibt auch im Beschäftigungskontext ein zentrales Anliegen.
Fazit
Die Entscheidung des EuGH schafft Klarheit über die Grenzen und Möglichkeiten der Datenverarbeitung auf Basis von Kollektivvereinbarungen. Sie stärkt die Rechte der Beschäftigten, indem sie den Grundsatz der Erforderlichkeit und die gerichtliche Überprüfbarkeit betont. Unternehmen sind gut beraten, bestehende Betriebsvereinbarungen auf ihre DSGVO-Konformität zu überprüfen, um rechtliche Risiken zu minimieren.
Dieses Urteil verdeutlicht die zentrale Rolle des Datenschutzes und trägt zur Harmonisierung der Rechtspraxis innerhalb der Europäischen Union bei.