Ethik und KI

Im Folgenden möchte ich kurz das Kapitel „Approaches to Ethical AI“ aus dem Open-Access-Buch „Introduction to Digital Humanism“ von Erich Prem vorstellen. Das lesenswerte Kapitel bietet eine umfassende Analyse ethischer Fragestellungen in Bezug auf Künstliche Intelligenz (KI) und legt dar, wie diese Herausforderungen im Rahmen ethischer Rahmenwerke und Leitlinien angegangen werden.

Was ist Ethik im Zusammenhang mit KI?

Ethik in Bezug auf KI betrifft die Frage, wie KI-Systeme so gestaltet werden können, dass sie menschliche Werte und Moralvorstellungen nicht verletzen. Prem beschreibt, dass die Entwicklung von KI-Systemen, die mit menschlichen Werten und Moralvorstellungen im Einklang stehen, sogar älter ist als die tatsächliche Existenz solcher Systeme.

Die Notwendigkeit, dass die Aktionen und Entscheidungen eines KI-Systems nicht im Widerspruch zu menschlichen Werten, Gesetzen oder vernünftigen Erwartungen stehen sollten, bildet den Kern der KI-Ethik.

Ethische Prinzipien in der KI

Das Kapitel bietet einen Überblick über gängige ethische Prinzipien in der KI. Zu diesen derzeit verbreiteten Prinzipien zählen unter anderem:

  • Menschliches Handeln und Aufsicht: Sicherstellung, dass KI-Systeme das menschliche Handeln unterstützen und nicht ersetzen.
  • Technische Robustheit und Sicherheit: Die Gewährleistung der Zuverlässigkeit und Sicherheit von KI-Systemen.
  • Privatsphäre und Datenführung: Der Schutz der Privatsphäre und die verantwortungsvolle Verwaltung von Daten.
  • Transparenz: Die Notwendigkeit, dass KI-Systeme für Nutzer verständlich und nachvollziehbar sind.
  • Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness: Vermeidung von Voreingenommenheit und durch KI-Systeme.
  • Gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen: KI sollte zum gesellschaftlichen Nutzen beitragen und nachhaltig sein.
  • Rechenschaftspflicht: Klare Verantwortlichkeiten bei der Entwicklung und Nutzung von KI-Systemen.

Herausforderungen und Grenzen ethischer Rahmenwerke

Prem diskutiert auch die Herausforderungen und Grenzen ethischer Rahmenwerke. Er weist darauf hin, dass diese oft abstrakt formuliert sind und nicht immer konkrete Handlungsanweisungen für die Praxis bieten. Zudem besteht die Gefahr, dass die Rahmenwerke mehr eine Checkliste als eine echte ethische Leitlinie darstellen. Dies könnte dazu führen, dass KI-Systeme zwar bestimmte ethische Standards erfüllen, aber dennoch unerwünschte oder schädliche Auswirkungen haben.


Kein allgemeingültiger Ethik-Kodex: Ethische Überlegungen im Kontext von Mensch-Bot-Psychoberatung

Eine weitere Studie „No General Code of Ethics for All: Ethical Considerations in Human-bot Psycho-counseling“ betrachtet die ethischen Herausforderungen, die mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz, insbesondere von großen Sprachmodellen (LLMs), in der Psychotherapie einhergehen. Die Autoren konzentrieren sich auf die Notwendigkeit, spezifische ethische Prinzipien zu entwickeln, die auf die Interaktionen zwischen Menschen und psychotherapeutischen Chatbots angewendet werden können.

Zentrale Themen und Herausforderungen

Die Studie beleuchtet das rapide Wachstum und die zunehmende Verwendung von LLMs in verschiedenen Lebensbereichen, einschließlich der Psychotherapie. Es wird betont, dass die bestehenden allgemeinen ethischen Richtlinien nicht ausreichen, um die spezifischen Herausforderungen und moralischen Dilemmata, die in der Mensch-Bot-Interaktion auftreten, effektiv anzugehen.

Forschungsmethodik

Die Forscher analysierten Antworten, die von drei verschiedenen Modellen (EVA2.0, GPT-3.5 und GPT-4.0) in psychotherapeutischen Settings generiert wurden. Sie prüften, wie gut diese Modelle die ethischen Prinzipien wie Autonomie, Nichtschädigung, Fürsorge, Gerechtigkeit und Verantwortung einhalten.

Ergebnisse der Studie

Die dortigen Ergebnisse zeigen, dass obwohl Fortschritte bei der Einhaltung ethischer Kodizes gemacht wurden, die Fähigkeit der Modelle, in Krisensituationen angemessen zu reagieren, noch verbessert werden muss. Insbesondere die Erkennung und das Management von Kriseninterventionen stellten sich als unzureichend heraus. Die Studie weist darauf hin, dass die linguistische Qualität der generierten Antworten immer noch irreführend sein kann und die Modelle die Individuen nicht ausreichend zur Introspektion anregen.

Schlussfolgerungen und ethische Überlegungen

Die Autoren schlagen vor, dass maßgeschneiderte ethische Richtlinien, die speziell für die Anwendungsbereiche von KI entwickelt werden, von entscheidender Bedeutung sind, um die Interaktionen zwischen Menschen und Bots ethisch zu gestalten. Sie betonen die Notwendigkeit einer interdisziplinären Herangehensweise, die das Wissen aus Psychotherapie und Linguistik integriert, um ethische Richtlinien zu entwickeln, die sowohl realistisch als auch wirksam in der Praxis umgesetzt werden können.

Die Frage nach einem allgemeinen ethischen Ansatz für alle großen Sprachmodelle (LLMs)

Die Autoren diskutieren, wie bestehende ethische Richtlinien oft unzureichend sind, um spezifische Herausforderungen in verschiedenen Anwendungsbereichen, wie der Psychotherapie, effektiv zu adressieren. Sie argumentieren, dass ein allgemeiner Ethik-Kodex nicht in der Lage ist, detaillierte und praxisnahe Anweisungen für den Einsatz von KI in spezialisierten Feldern wie der Mensch-Bot-Psychotherapie zu bieten.

Stattdessen plädieren sie für die Entwicklung maßgeschneiderter ethischer Richtlinien, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Herausforderungen der jeweiligen Einsatzgebiete zugeschnitten sind. Diese maßgeschneiderten Richtlinien sollten auf einer interdisziplinären Basis erstellt werden, die Fachwissen aus den Bereichen der Psychotherapie, der Ethik und der Linguistik vereint, um realistische und wirksame ethische Standards zu schaffen, die sowohl die Sicherheit als auch die Effektivität der KI-Anwendungen erhöhen.

Die Studie kritisiert somit die allgemeinen ethischen Richtlinien für ihre mangelnde Präzision und ihre Unfähigkeit, auf komplexe reale Fälle adäquat zu reagieren, und unterstreicht die Notwendigkeit eines differenzierteren und kontextbezogeneren Ansatzes in der KI-Ethik.



Implikationen für die Praxis

Das gemeinsame Fazit der beiden Studien betont die zentrale Bedeutung ethischer Rahmenwerke im Kontext der Entwicklung und Anwendung künstlicher Intelligenz, wobei deutlich zwischen allgemeinen und spezifischen ethischen Ansätzen unterschieden wird:

  • Studie 1: Diese Studie hebt hervor, wie entscheidend es ist, ethische Rahmenwerke nicht nur zu formulieren, sondern sie auch praktisch umzusetzen und kontinuierlich weiterzuentwickeln. Die Notwendigkeit, ethische Überlegungen in allen Phasen der Entwicklung und des Einsatzes von KI-Systemen zu integrieren, wird betont, um zu gewährleisten, dass diese Technologien im Einklang mit menschlichen Werten und moralischen Vorstellungen stehen. Dies schließt die Forderung ein, dass Ethik nicht als nachträglicher Gedanke, sondern als integraler Bestandteil des Entwicklungsprozesses von KI angesehen wird.
  • Studie 2: Im Gegensatz dazu fokussiert sich diese Studie speziell auf die Herausforderungen der Mensch-Bot-Interaktion und die Entwicklung von Ethikrichtlinien, die auf die spezifischen Bedürfnisse und Situationen in diesem Bereich zugeschnitten sind. Es wird die Notwendigkeit betont, Bots so zu programmieren, dass sie Krisensituationen erkennen und darauf angemessen reagieren können. Ebenso wichtig ist es, die Autonomie der Nutzer zu respektieren und ihre Fähigkeit zur Selbstreflexion zu fördern, um eine ethisch verantwortungsvolle Interaktion zu ermöglichen.

Es zeigt sich also in der Gesamtschau, dass beide Studien die Bedeutung ethischer Überlegungen unterstreichen, wobei die erste Studie einen umfassenden Ansatz verfolgt, während die zweite sich auf spezifische Anwendungen konzentriert. Beide Ansätze sind essenziell, um sicherzustellen, dass die Entwicklung und Anwendung von KI-Technologien verantwortungsbewusst und im besten Interesse der Menschheit erfolgen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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