Entgelttransparenz ist ein zentrales Instrument, um geschlechtsbezogene Diskriminierung im Arbeitsentgelt zu bekämpfen und das Vertrauen in die Arbeitswelt zu stärken. Mit dem Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG) im Jahr 2017 und der neuen EU-Entgelttransparenzrichtlinie (EntgTranspRL) stehen Arbeitgeber vor umfangreichen Herausforderungen. Dieser Beitrag beleuchtet, wie Entgelttransparenz funktioniert, welche Änderungen sich durch die Richtlinie ergeben und welche Maßnahmen Unternehmen ergreifen müssen, um den Anforderungen gerecht zu werden.
Die Grundlagen der Entgelttransparenz
1. Der Status quo: Das Entgelttransparenzgesetz
Das EntgTranspG schafft einen rechtlichen Rahmen, um Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen sichtbar zu machen. Zentrale Elemente sind:
- Der individuelle Auskunftsanspruch für Beschäftigte in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern (§§ 10 ff. EntgTranspG).
- Berichtspflichten für lageberichtspflichtige Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten (§§ 21 f. EntgTranspG).
Diese Instrumente sollen den Grundsatz „gleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit“ fördern. Die praktische Umsetzung gestaltet sich jedoch schwierig: Der Auskunftsanspruch wird selten genutzt, und der Nachweis von Diskriminierung bleibt oft komplex.
2. Die EU-Entgelttransparenzrichtlinie: Neue Maßstäbe
Die EntgTranspRL, die bis 2026 in nationales Recht umgesetzt werden muss, bringt erhebliche Neuerungen:
- Erweiterter Anwendungsbereich: Auch Bewerber haben künftig einen Anspruch auf Informationen zu Entgeltdetails.
- Geschlechtsneutrale Entgeltsysteme: Unternehmen müssen nach objektiven Kriterien wie Kompetenzen und Verantwortung bewerten.
- Umfassendere Berichtspflichten: Ab 100 Beschäftigten müssen detaillierte Berichte über das Entgeltgefälle erstellt werden.
Herausforderungen in der Praxis
1. Beweislast und Medianvergleich
Das LAG Baden-Württemberg betonte in seiner Entscheidung vom Oktober 2024 die Bedeutung des Medians als Vergleichsmaßstab. Der Median allein reicht jedoch oft nicht aus, um geschlechtsbezogene Diskriminierung zweifelsfrei nachzuweisen, da er keine individuellen Faktoren wie Qualifikation oder Betriebszugehörigkeit berücksichtigt. Arbeitgeber müssen überzeugend darlegen können, dass Lohnunterschiede sachlich gerechtfertigt sind.
2. Bürokratischer Aufwand
Die neuen Pflichten stellen Unternehmen vor erhebliche bürokratische Herausforderungen. Insbesondere in großen Organisationen mit komplexen Entgeltstrukturen erfordert die Umsetzung eine gründliche Datenerhebung und -auswertung. Dies bindet Ressourcen und erfordert häufig externe Beratung.
Handlungsbedarf für Unternehmen
Unternehmen sollten frühzeitig beginnen, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. Folgende Schritte sind essenziell:
- Überprüfung der Vergütungsstrukturen: Stellenbewertungssysteme müssen geschlechtsneutral gestaltet und dokumentiert werden.
- Schaffung von Transparenz: Unternehmen sollten klare Prozesse zur Erhebung und Veröffentlichung von Entgeltdaten etablieren.
- Schulungen und Sensibilisierung: Führungskräfte und HR-Mitarbeiter müssen auf die neuen Pflichten vorbereitet werden.
Das Thema hat strategische Bedeutung: Transparenz in der Vergütung wird zunehmend zu einem Wettbewerbsfaktor. Arbeitgeber, die frühzeitig auf die neuen Regelungen reagieren, können ihre Attraktivität für Fachkräfte steigern und das Risiko von Diskriminierungsklagen minimieren.
Ausblick: Die Zukunft der Entgelttransparenz
Mit der EntgTranspRL wird das Thema Entgeltgleichheit auf eine neue Ebene gehoben. Unternehmen müssen erkennen, dass es sich nicht nur um eine rechtliche Pflicht, sondern um eine ethische und strategische Notwendigkeit handelt. Die Integration geschlechtsneutraler Entgeltsysteme und eine offene Kommunikation über Vergütungsstrukturen werden künftig entscheidend sein, um das Vertrauen der Belegschaft zu stärken und rechtliche Risiken zu minimieren. Die Umsetzung der Richtlinie erfordert jedoch nicht nur Compliance, sondern ein grundlegendes Umdenken im Umgang mit Vergütung und Gleichstellung.
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