Datenschutz beim Immobilienverkauf

Das Landgericht Frankenthal (Az. 3 O 300/23) hat in einem Urteil vom 4. Juni 2024 eine praxisrelevante Entscheidung zu Datenschutzfragen bei Immobilienverkäufen getroffen.

Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die Anfertigung und Veröffentlichung von Innenaufnahmen einer Immobilie, die von Mietern bewohnt wird, ohne deren explizite Zustimmung einen Verstoß gegen die -Grundverordnung () darstellt. Das Urteil beleuchtet die Grenzen der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit von Immobilienmaklern und zeigt die Anforderungen an die Einwilligung der betroffenen Personen auf.

Sachverhalt

Die Kläger, Mieter einer Doppelhaushälfte, beanstandeten, dass ein von der Eigentümerin beauftragtes Immobilienunternehmen ohne ihre ausdrückliche Zustimmung Fotos ihrer Wohnräume anfertigte und diese für Verkaufszwecke veröffentlichte. Die Bilder erschienen auf der Immobilienplattform „Immoscout“ und wurden in gedruckten Exposés an Kaufinteressenten verteilt. Nach der Veröffentlichung fühlten sich die Kläger demaskiert und beeinträchtigt, da sie von Bekannten und Unbekannten auf ihre Wohnsituation angesprochen wurden. Sie verlangten Auskunft über die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro.

Die Beklagte, ein Immobilienunternehmen, argumentierte, die Anfertigung und Verwendung der Fotos sei durch die Kläger konkludent genehmigt worden. Die Fotos seien zudem nach Eingang einer anwaltlichen Aufforderung umgehend gelöscht worden.

Rechtliche Würdigung

1. Datenschutzrechtliche Einwilligung

Das Gericht stellte fest, dass die Anfertigung und Veröffentlichung der Fotos eine Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne der DSGVO darstellt. Gemäß Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind Bilder von Innenräumen, die Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der Bewohner zulassen, als einzustufen.

Die entscheidende Frage war, ob die Kläger in die Verarbeitung dieser Daten eingewilligt hatten. Nach Art. 4 Nr. 11 DSGVO ist eine Einwilligung nur dann wirksam, wenn sie freiwillig, für den konkreten Fall und in informierter Weise erfolgt. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Kläger durch ihr Verhalten – insbesondere das Hereinlassen des Maklers und das Dulden der Fotoaufnahmen – eine konkludente Einwilligung erteilt hatten. Die Kläger hatten zudem angegeben, dass ihnen der Zweck der Fotos, nämlich der Verkauf der Immobilie, bewusst war.

2. Verletzung von Informationspflichten

Obwohl die Einwilligung wirksam war, stellte das Gericht fest, dass die Beklagte gegen Art. 7 Abs. 3 Satz 3 DSGVO verstoßen hatte, indem sie die Kläger nicht über ihr Widerrufsrecht informiert hatte. Die Unterlassung dieser Belehrung macht die Einwilligung jedoch nicht automatisch unwirksam, da die Belehrung über das Widerrufsrecht keine konstitutive Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwilligung ist. Diese Einschätzung stützt sich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der den Vorrang der praktischen Wirksamkeit der DSGVO betont.

3. Anspruch auf Schmerzensgeld

Das LG Frankenthal lehnte den Anspruch der Kläger auf Schmerzensgeld gemäß Art. 82 DSGVO ab. Zwar liegt ein Verstoß gegen die DSGVO vor, doch konnte kein konkreter immaterieller Schaden festgestellt werden. Die bloße Behauptung eines diffusen Gefühls der Demaskierung und Beobachtung genügt nicht, um einen immateriellen Schaden im Sinne des Art. 82 DSGVO darzulegen. Vielmehr erfordert ein solcher Anspruch den Nachweis einer messbaren persönlichen oder psychologischen Beeinträchtigung.

Datenschutz beim Immobilienverkauf - Rechtsanwalt Ferner

Das Gericht stärkt mit seiner Entscheidung die Rechte der Betroffenen, indem es die Notwendigkeit betont, datenschutzrechtliche Verstöße klar darzulegen und nachzuweisen. Die bloße Behauptung einer subjektiven Beeinträchtigung genügt nicht, um Schadensersatzansprüche zu begründen.


Fazit

Das Urteil des LG Frankenthal zeigt, wie wichtig die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften auch bei alltäglichen Geschäftsvorgängen wie dem Immobilienverkauf ist. Es stellt klar, dass betroffene Personen ihre Rechte aktiv wahrnehmen müssen und datenschutzrechtliche Verstöße konkret darlegen sollten. Gleichzeitig wird betont, dass Unternehmen ihre Informationspflichten ernst nehmen und sich um Transparenz bei der Verarbeitung personenbezogener Daten bemühen müssen.

Das Urteil setzt beachtliche Akzente für den Umgang mit Datenschutz im Immobiliensektor. Es bestätigt, dass das Anfertigen und Veröffentlichen von Fotos im Rahmen eines Verkaufsprozesses zulässig ist, wenn eine konkludente Einwilligung vorliegt. Gleichzeitig macht es deutlich, dass Makler und Verkäufer ihrer Informationspflicht nach Art. 7 DSGVO nachkommen müssen, um die Rechte der Betroffenen zu wahren.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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