Diebstahl bei Entnahme von Geldscheinen aus Geldausgabefach des Geldautomaten

Der (3 StR 333/18) hat hervorgehoben, dass Geldscheine im Sinne des Diebstahls weggenommen werden, wenn diese aus dem Geldausgabefach entnommen werden – soweit es nicht gelingt, Geld zu erbeuten, bleibt es beim Versuch der Wegnahme. Dies ist in den Fällen relevant, in denen Täter das Geld ohne vorherige Drohung oder unmittelbar aus dem Geldausgabefach entnehmen – etwa indem sie das Tatopfer ablenken oder überrumpeln und schnell zugreifen.

In diesem Beitrag gehe ich auf die verschiedenen Sichtweisen ein – denn es gibt inzwischen einige unterschiedliche Ansichten zur Frage des Gewahrsams bei Geld im Geldautomaten während der Geldausgabe.

In einer solchen Konstellation ist die Frage, wer überhaupt Gewahrsam haben soll, wenn sich das Geldausgabefach öffnet, das Geld also zur Entnahme bereit liegt – aber der Kunde selber nicht hineingreift. Wirkt hier der Gewahrsam des Geldinstitues fort? Der BGH hat dies nunmehr bejaht.

Hier ist daran zu erinnern, dass ein einmal begründeter Gewahrsam fortbesteht, solange der Gewahrsamsinhaber noch Einwirkungsmöglichkeiten auf die Sache hat. Der Gewahrsam kann insbesondere in Form einer Gewahrsamslockerung fortbestehen, etwa dann, wenn der Gewahrsamsinhaber zwar eine Wegnahmesicherung aufgegeben hat, gleichwohl aber noch auf die Sache einwirken kann. Gebrochen wird der Gewahrsam, wenn er ohne oder gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers aufgehoben wird – und da setzt der BGH an:

Hier befand sich das in dem Geldautomaten enthaltene Geld zunächst im Gewahrsam des Geldinstituts. Dieser bestand – wenn auch in gelockerter Form – fort, als die Geldscheine im Ausgabefach zur Entnahme bereit lagen. Durch die Freigabe zur Entnahme hatte das Geldinstitut zwar eine Wegnahmesicherung aufgegeben, es hatte indes weiterhin die Möglichkeit, auf das Geld einzuwirken, solange sich die Scheine im Ausgabefach des Automaten befanden. Denn im Rahmen des vorprogrammierten Ausgabevorgangs werden die Geldscheine wieder eingezogen und das Ausgabefach geschlossen, wenn das Geld nicht innerhalb einer bestimmten Zeitspanne entnommen wird.

Vor diesem Hintergrund ändert der Umstand, dass weitere Personen, namentlich die Angeklagten und ihre Mittäter die Möglichkeit hatten, auf das Geld zuzugreifen, an dem fortbestehenden Gewahrsam der Bank nichts (…) Dies verdeutlicht der Blick auf vergleichbare Sachverhaltskonstellationen: So hat etwa nach der Verkehrsanschauung auch der Ladenbesitzer Gewahrsam an den nach der Zerstörung des Schaufensters vor dem Laden verstreuten und damit dem Zugriff von Passanten ausgesetzten Sachen, von denen jeder weiß, dass sie weiterhin seinem Herrschaftsbereich zuzuordnen sind (BGH, Urteil vom 6. Juni 1961 – 5 StR 210/61, GA 1962, 77, 78). Gleiches gilt bezüglich der Sachen, die vor Geschäftsöffnung angeliefert worden sind und die mit Einverständnis des Ladeninhabers vor dem Geschäft abgestellt wurden (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1967 – 4 StR 516/67, JZ 1968, 307) …

Bei der automatisierten Geldausgabe entspricht es dem Willen des Geldinstituts, den Gewahrsam an den Geldscheinen demjenigen zu übertragen, der den Geldautomaten technisch ordnungsgemäß bedient, indem er sich mittels Eingabe von Bankkarte und zugehöriger PIN legitimiert (…) Ob es sich dabei um den materiell Berechtigten handelt, ist im Hinblick auf den tatsächlichen Vorgang der Gewahrsamsübertragung im Gegensatz zum Rechtsgeschäft der Übereignung ohne Bedeutung. Deshalb scheidet ein Gewahrsamsbruch aus, wenn ein Unbefugter unter Verwendung einer dem Berechtigten entwendeten Bankkarte nebst zugehöriger PIN Geld am Bankautomaten abhebt (…) Gleiches gilt, falls der Täter zuvor ausgespähte und auf Bankkarten-Blankette kopierte Daten unbefugt zur Geldabhebung verwendet (…)

Maßgeblich für das Einverständnis des Geldinstituts mit der Gewahrsamsübertragung ist allein die funktionsgerechte Bedienung des Geldautomaten durch Eingabe von Bank- karte und PIN.

BGH, 3 StR 333/18

Und Vorsicht: Mit dem BGH (2 StR 154/17) ist das wegschubsen desjenigen, der da gerade ordnungsgemäß abhebt, um dann das Geld zu ergreifen, eine räuberische ! Der 3. Senat hat nun auch beim 2. Senat angefragt, ob er hieran überhaupt festhalten möchte, da man dort anderer Auffassung war.


Auch der 4. Senat hat sich zum Gewahrsam des Bankkunden am Bargeld im Ausgabefach eines Geldautomaten geäußert, wenn der Auszahlungsvorgang durch Einführen seiner Karte und Eingabe der zugehörigen PIN-Nummer ausgelöst hat. Für diesen steht Bargeld, das ein Geldautomat am Ende eines ordnungsgemäßen Abhebevorgangs ausgibt, mit der Bereitstellung im Ausgabefach und der hierdurch eröffneten Zugriffsmöglichkeit regelmäßig (auch) im Gewahrsam desjenigen, der diesen Vorgang durch Eingabe der Bankkarte und der PIN-Nummer in Gang gesetzt hat:

Der Verkehr ordnet das Geld ab diesem Zeitpunkt jedenfalls auch dieser Person als das „ihre“ zu, wie sich auch daran zeigt, dass es sozial üblich ist und teils auch durch entsprechende Hinweise oder Vorrichtungen der Banken eingefordert wird, dass Dritte während des Abhebevorgangs Abstand zu dem Automaten und dem an ihm tätigen Kunden halten. Ob etwas anderes zu gelten hat, wenn der Karteninhaber vor der Bereitstellung des Geldes im Ausgabefach durch Gewalt oder Androhung von Gewalt von der Ausübung seines Gewahrsams ausgeschlossen wird (…) braucht der Senat nicht zu entscheiden (…)

BGH, 4 StR 338/20
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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