Grundsätzlich bedarf es zur Aussprache einer Abmahnung keines Rechtsanwalts. Es gibt aber gute Gründe, einen hinzu zu ziehen.
Die Sache mit den Abmahnungen zieht immer weitere Kreise, auch das private Umfeld ist nicht mehr vor ihr sicher, drei willkürliche Beispiel aus unserem Kanzleialltag der letzten Zeit: Da mahnt ein Nachbar einen anderen ab mit einer kruden Vorlage aus dem Netz, Unternehmen mahnen Fax-Spammer ab und gar im Rahmen eines Vereins ist mir jüngst eine „Privat-Abmahnung“ untergekommen. Diese Abmahnungen hatten alle eines gemeinsam: Sie waren in höchstem Sinne problematisch, es wurde erbittert um sie gekämpft und sie wurden alle ohne Hinzuziehung eines Juristen ausgesprochen.
Wie als Einleitung festgestellt: Eine Abmahnung kann in der Tat grundsätzlich jeder aussprechen. Das befreit aber nicht von der Pflicht, zu wissen, was man da tut. Und hier liegen dann die Probleme, wobei ich auf zwei Themen den Fokus legen möchte:
Abmahnung oder nicht?
Wenn der juristische Laie eine Abmahnung formuliert, sucht er nach meinem Eindruck zuerst einmal im Netz und baut sich dann aus den vermeintlichen passenden Textbausteinen etwas zusammen. Das Problem ist nur: Wann eine Abmahnung vorliegt, kann durchaus strittig sein. Ich hatte bereits vor einiger Zeit über eine Entscheidung des LG Hamburg berichtet, bei der es um genau diese Frage ging. Der Betroffene hatte „abgemahnt“ oder besser, er glaubte, abgemahnt zu haben.
Sein Schreiben – dem eine Unterlassungserklärung beigefügt war und das ohne Rechtsanwalt abgefasst wurde – war allerdings mit der Überschrift „Rechnung“ versehen und endete mit den Worten „Weitere Schritte, auch juristische, behalte ich mir gegebenenfalls vor“. Das LG Hamburg meinte, wenn so etwas ein Rechtsanwalt schreibt, mag man das vielleicht noch zu einer Abmahnung deuten können, aber wenn ein juristischer Laie schreibt nicht.
Das Ergebnis: Wenn nach einer derart verhunzten Abmahnung, auf die der Abgemahnte nicht reagiert, eine einstweilige Verfügung beantragt wird und man diese sogar erhält, sind die Chancen dennoch sehr gut, auf den Gerichtskosten sitzen zu bleiben. Denn ohne (ordentliche) Abmahnung gab es keinen Anlass zur Klage. Der vorher „gesparte“ Rechtsanwalt rächt sich nun bitter und teuer.
Rechtsmissbrauch
Rechtsanwälte, ja Juristen schlechthin, sind anstrengend: Ständig gibt es Rückfragen und jeder noch so (für Laien) „klare Sachverhalt“ wird hinterfragt, gedreht und problematisiert. Naheliegend, sich das bei einem absolut klaren Sachverhalt, wo ja „nur ein Briefchen“ geschrieben werden muss, gar nicht erst anzutun – oder doch?
Dass Juristen so „kleinkariert“ sind, hat seinen Grund: Nur mit einem wirklich klaren Sachverhalt kann man auch entsprechend beraten und Maßnahmen ergreifen. Und aus der subjektiven Sicht eines Laien erscheinen Dinge schnell „eindeutig“ und „klar“, die es gar nicht sind. Wer nun angesichts eines vermeintlichen klaren Sachverhalts eine Abmahnung ausspricht, zu der er gar nicht berechtigt war (etwa weil man gar nicht „Aktivlegitimiert“ war), der wird danach seinerseits in Anspruch genommen werden – und ordentlich drauf zahlen. Wieder rächt sich der „gesparte“ Rechtsanwalt.
Hinzu kommt, dass je nach Formulierung der Abmahnung ein Rechtsmissbrauch angenommen werden kann, was wieder zu teuren Folgen führt. Dabei sehen sich die Gerichte die Abmahnung dezidiert an und untersuchen, was wie verstanden werden kann (Beispielhaft das OLG Köln). Das kann dann dazu führen, dass eine ungeschickte Äußerung die ganze Abmahnung kippt, etwa wie beim LG Bochum, wo der Verzicht auf Kosten im Einigungsfall als Missbrauchsmerkmal gedeutet wurde.
Fazit: Grundsätzlich kann jeder Abmahnen, ja. Die Fallstricke sind aber enorm, das Risiko plötzlich selber auf Kosten zu sitzen nicht zu verachten. Ein Jurist hilft – einmal, den angenommenen Sachverhalt wirklich zu festzustellen. Und dann natürlich bei der rechtlichen Bewertung. Die Verlockung, selber abzumahnen ist heute sehr hoch, dank vieler Vorlagen und juristischer „Tipps“ in Internetforen. Doch all das hilft nicht, wenn man Unsinn macht und plötzlich ganz alleine auf seinen Kosten sitzt. Dieses Risiko einzugehen ist zudem im Regelfall dumm, da der eigene Rechtsanwalt sich bei berechtigten Ansprüchen seine Kosten üblicherweise beim Gegner „holen“ wird. Und wenn man bei unberechtigten Ansprüchen eine Beratungsgebühr zahlt, kann man das mit gesparten Kosten durch eine „dumme Abmahnung“ aufrechnen. Daher lieber Informieren, als hinterher ärgern.
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