Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum Thema Aussagewürdigung (Aktenzeichen: 2 StR 284/23) behandelt die komplexen Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Bedeutung von Beweisanträgen im strafrechtlichen Kontext.
Der Fall illustriert besonders die Herausforderungen, die sich ergeben, wenn das Gericht mit einer „Aussage gegen Aussage“-Konstellation konfrontiert wird und wie solche Situationen rechtlich zu bewerten sind.
Sachverhalt
Im Kern des Falls stand die Glaubwürdigkeit der Aussagen einer Nebenklägerin, die dem Angeklagten mehrere Straftaten vorwarf. Die Verteidigung hatte Beweisanträge gestellt, die darauf abzielten, die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Nebenklägerin zu hinterfragen. Das Landgericht lehnte diese Beweisanträge ab, mit der Begründung, dass selbst bei Annahme der von der Verteidigung behaupteten Tatsachen diese keine Relevanz für die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin hätten.
Rechtliche Analyse
Der BGH hob hervor, dass das Landgericht bei seiner Entscheidung eine unzureichende prognostische Prüfung vorgenommen hatte. Insbesondere wurde kritisiert, dass das Landgericht nicht ausreichend begründet hatte, warum es die behaupteten Tatsachen der Verteidigung als irrelevant für die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin erachtete:
Eine unter Beweis gestellte Indiz- oder Hilfstatsache ist aus tatsächlichen Gründen für die Entscheidung bedeutungslos, wenn sie in keinem Zusammenhang mit der Urteilsfindung steht oder wenn sie trotz eines solchen Zusammenhangs selbst im Fall ihrer Bestätigung keinen Einfluss auf die richterliche Überzeugung vom entscheidungserheblichen Sachverhalt hätte, weil sie nur einen möglichen Schluss auf das Vorliegen oder Fehlen einer Haupttatsache oder den Beweiswert eines anderen Beweismittels ermöglicht und das Gericht der Überzeugung ist, dass dieser Schluss in Würdigung der gesamten Beweislage nicht gerechtfertigt wäre.
Hierzu hat das Tatgericht die unter Beweis gestellte Tatsache so, als sei sie erwiesen, in das aufgrund der bisherigen Beweisaufnahme erlangte Beweisergebnis einzustellen und im Wege einer prognostischen Betrachtung zu prüfen, ob hierdurch seine bisherige Überzeugung – gegebenenfalls in Anwendung des Zweifelssatzes – in einer für den Schuld- oder Rechtsfolgenausspruch bedeutsamen Weise erschüttert würde (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18, NStZ 2019, 295; vom 19. Dezember 2018 – 3 StR 516/18, juris Rn. 7; Löwe-Rosenberg/Becker, StPO, 27. Aufl., § 244 Rn. 220; KK-StPO/Krehl, 9. Aufl., § 244 Rn. 152; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 56a).
Soll mit dem Beweisantrag die Glaubhaftigkeit der Aussage eines anderen Zeugen angegriffen werden, muss das Gericht die behauptete Tatsache bei der Aussagenanalyse unterstellen und in dem Ablehnungsbeschluss ausführen, warum es den Angaben des Zeugen dennoch folgt (vgl. BGH, Beschluss vom 23. April 2013 – 5 StR 145/13, NStZ 2013, 478; BeckOK StPO/Bachler, 49. Ed., § 244 Rn. 68). Der Beschluss, mit dem die Erhebung eines Beweises wegen Unerheblichkeit der Beweistatsache abgelehnt wird, ist mit konkreten Erwägungen zu begründen, aus denen sich ergibt, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Dezember 2018 – 4 StR 484/18, aaO; vom 19. Dezember 2018 – 3 StR 516/18, aaO).
Dies war entscheidend, da die Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin zentral für den Ausgang des Verfahrens war, insbesondere da es für einige der angeklagten Taten keine weiteren unmittelbaren Beweise gab und der Angeklagte einige Taten eingeräumt hatte.
Fazit
Die Entscheidung unterstreicht die Wichtigkeit der sorgfältigen Prüfung und Begründung von Gerichtsentscheidungen in Bezug auf Beweisanträge, insbesondere in Fällen, wo die Glaubwürdigkeit von Zeugen eine zentrale Rolle spielt. Es zeigt auch, dass das Gericht verpflichtet ist, alle relevanten Beweise zu berücksichtigen und die Entscheidung umfassend zu begründen, um die Rechte der Verteidigung und die Integrität des Verfahrens zu wahren.
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