Das Landgericht Berlin (Az. 27 O 285/25) hat sich zur Zulässigkeit von Presseberichterstattung über interne Vorgänge in Führungsebenen geäußert, die auch für die Unternehmenspraxis von Relevanz sein können: Zentraler Ausgangspunkt ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Berichterstattung über angebliche Verfehlungen der Führungsspitze eines Versorgungswerks als Persönlichkeitsrechtsverletzung angesehen werden kann.
Zulässige Berichterstattung über Vorstandsarbeit
Das Landgericht stellt fest, dass ein Unterlassungsanspruch nur dann besteht, wenn die betroffenen Personen durch die Veröffentlichung individuell und unmittelbar identifizierbar sind. Es reicht nicht aus, wenn Leser mit Sonderwissen – etwa aus dem persönlichen oder beruflichen Umfeld – die Identität der Betroffenen erschließen können. Vielmehr muss die Identifizierung allein aus dem veröffentlichten Beitrag selbst möglich sein. Eine bloße Nennung der „Führungsspitze“ ohne weitere individualisierende Merkmale wie Namen, Funktionen oder persönliche Umstände reicht dafür nicht aus. Das Gericht betont, dass ansonsten die Meinungsfreiheit der Medien unangemessen eingeschränkt würde, da praktisch jede anonymisierte Berichterstattung angreifbar wäre:
Ein Anspruch auf Unterlassung von Äußerungen setzt voraus, dass der Anspruchsteller durch die fraglichen Äußerungen individuell und unmittelbar betroffen ist. Betroffenheit setzt Erkennbarkeit voraus (…). Hierfür kann bereits die Übermittlung von Teilinformationen genügen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne Weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt (vgl. Kammer, a.a.O., Rn. 19). Dafür kann unter Umständen die Schilderung von Einzelheiten aus dem Lebenslauf des Betroffenen oder die Nennung seines Wohnortes oder seiner Berufstätigkeit ausreichen (…).
Dabei genügt es grundsätzlich, wenn der Anspruchsteller für einen mehr oder minder großen Bekanntenkreis oder in der näheren persönlichen Umgebung erkennbar ist (…). Der Betroffene muss aber immer durch die Angaben in der Publikation selbst erkennbar sein (…). Dass die Berichterstattung einem Leser allein den Anstoß gibt, sich zur Person des oder der Betroffenen durch die Suche in anderen Medien diejenigen weiteren Erkenntnisse zu verschaffen, die die Veröffentlichung selbst verschweigt, genügt grundsätzlich nicht. Andernfalls würde einem neutral und anonym berichtenden Medium, das sich vorangegangene Veröffentlichungen nicht zu eigen gemacht hat, die Haftung für durch andere begangene Handlungen auferlegt. Das indes würde einen nicht mehr gerechtfertigten Eingriff in die Mediengrundrechte begründen (…)
Selbst wenn eine Identifizierung für einen begrenzten Leserkreis möglich wäre, wäre die Berichterstattung im konkreten Fall dennoch zulässig. Entscheidend ist das überragende öffentliche Interesse an der Thematik, insbesondere, wenn das betroffene Versorgungswerk selbst eine „finanzielle Schieflage“ eingeräumt hat. Das Gericht macht deutlich, dass eine auf wahren Tatsachen beruhende Berichterstattung – auch in Verdachtsform – nicht automatisch als rechtswidrig einzustufen ist. Vielmehr obliegt es den Betroffenen, substantiiert darzulegen, warum die Vorwürfe unzutreffend sein sollen. Fehlt eine solche Gegenäußerung, geht die Rechtsprechung von der Zulässigkeit der Veröffentlichung aus.

Vorsicht bei Vorstandsarbeit
Unternehmen und ihre Führungskräfte müssen bei interner Kritik oder öffentlichen Diskussionen über Missstände damit rechnen, dass eine sachliche, wenn auch pauschale Berichterstattung über die „Führungsebene” nicht ohne Weiteres unterbunden werden kann. Umgekehrt bestätigt das Urteil den Medien einen gewissen Spielraum, solange sie sich auf nachprüfbare Fakten stützen und keine gezielte Identifizierung Einzelner vornehmen. Die Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Meinungsfreiheit fällt hier zugunsten der Meinungsfreiheit aus, sofern die Berichterstattung nicht willkürlich oder unwahr ist.
Interessant ist zudem der Hinweis des Gerichts, dass personelle Veränderungen in Gremien die Zuordnung von Verantwortlichkeiten erschweren und somit die Identifizierbarkeit weiter verringern. Dies unterstreicht, wie wichtig es für Unternehmen ist, klare Kommunikationsstrukturen zu schaffen, um im Krisenfall gezielt und transparent zu informieren oder gezielte Gegenäußerungen vorzubereiten, um falsche Schlussfolgerungen zu vermeiden.
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