Zulässigkeit des Einsatzes einer Vertrauensperson

Der verdeckte Einsatz von Personen, die den Beschuldigten vernehmen, um ihn zu belastenden Aussagen zu veranlassen, ist jedenfalls dann zulässig, wenn es sich bei der verfolgten Tat um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt und der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden, für deren Auswahl untereinander wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt, wesentlich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Für die Beantwortung der Frage, wann eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, geben die Kataloge der §§ 98a, 100a, 110a StPO Anhaltspunkte; die Aufzählung ist nicht abschließend.

Der Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15. Juli 1992 (OrgKG) den bis dahin auf die Generalklauseln der §§ 161, 163 StPO gestützten Einsatz verdeckter Ermittler für bestimmte Formen besonders gefährlicher und schwer aufklärbarer Kriminalität durch die Einfügung der §§ 110a ff. StPO im Einzelnen geregelt hat, rechtfertigt nicht den Schluss, dass er den traditionell als zulässig anerkannten Einsatz anderer Personen ausschließen wollte (BGH, Beschluss vom 13. Mai 1996 – GSSt 1/96, BGHSt 42, 139, 151). Die Kontaktaufnahme solcher anderer Personen mit dem Beschuldigten hat der Gesetzgeber in diesem Gesetz wohl und mit dem BGH auch bewusst nicht geregelt. Diese sollte weiterhin zulässig sein (vgl. Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drucks. 12/989, S. 41).

Soweit in der Literatur eine besondere gesetzliche Regelung für den Einsatz von V-Leuten für erforderlich gehalten wird, sieht der (2 StR 270/22) keinen Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen.


Dabei sind allerdings die rechtsstaatlichen Grenzen zu beachten, die der vernehmungsähnlichen Befragung von Tatverdächtigen ohne Offenlegung der Ermittlungsabsicht – wegen ihrer Nähe zum nemo-tenetur-Grundsatz – gesetzt sind. Aus dieser Nähe sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip, insbesondere dem Grundsatz des fairen Verfahrens, kann sich im Einzelfall auch unter Berücksichtigung des Gebots einer effektiven Strafverfolgung die Unzulässigkeit einer heimlichen Vernehmung ergeben. Als Beispiele aus der Rechtsprechung werden in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Fälle genannt, in denen einem Beschuldigten ein Spitzel in die Zelle gelegt oder das gesprochene Wort verbotswidrig fixiert wurde.

Mit dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ist es auch nicht vereinbar, dem Beschuldigten, der von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht hat, durch gezielte vernehmungsähnliche Befragungen, die auf Veranlassung der Ermittlungsbehörden ohne Offenlegung der Verfolgungsabsicht durchgeführt werden, selbstbelastende Angaben zur Sache zu entlocken. Unzulässig ist es auch, den Beschuldigten zu selbstbelastenden Angaben zu drängen oder ihn unter psychischen Druck zu setzen.


Eine weitergehende generelle Unverwertbarkeit der Angaben eines Beschuldigten gegenüber einer V-Person im Hinblick auf §§ 136 Abs. 1, 136a Abs. 1 Satz 1 StPO ist aus Sicht des BGH hingegen abzulehnen, da es gerade nicht zu einer Vernehmung kommt und die Aussagefreiheit des Beschuldigten nicht berührt ist.

So hat auch der EGMR eine Verletzung des Rechts auf Selbstbelastungsfreiheit in einem Fall verneint, in dem es dem Beschuldigten, der sich weder in Haft befand noch zuvor polizeilich vernommen worden war, freistand, mit dem Informanten der Polizei zu sprechen, der das verdeckt geführte Gespräch heimlich aufzeichnete (EGMR, Urteil vom 10. März 2009 – 4378/02 – Bykov v. Russia).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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