Weiterleiten dienstlicher E-Mails an eine private E-Mail-Adresse

Das Landesarbeitsgericht Hamm (Az. 15 Sa 2008/19) entschied am 28. Mai 2020 über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung aufgrund des unerlaubten Weiterleitens dienstlicher E-Mails an eine private E-Mail-Adresse durch die Klägerin. Die Klägerin hatte ohne Zustimmung der Arbeitgeberin sensible betriebliche Daten weitergeleitet und berief sich darauf, die E-Mails aus Selbstschutz gesichert zu haben, da sie eine Schikane durch die Geschäftsführung befürchtete.

Sachverhalt

Die Klägerin, angestellt als kaufmännische Mitarbeiterin, hatte während der angespannten Situation zwischen ihr und der Geschäftsführung dienstliche E-Mails, darunter Preislisten und Kundeninformationen, an ihre private E-Mail-Adresse weitergeleitet. Dies geschah ohne dienstlichen Anlass oder Erlaubnis. Die Arbeitgeberin kündigte der Klägerin daraufhin fristlos und hilfsweise fristgerecht.

Die Klägerin wehrte sich mit der Argumentation, dass die Weiterleitung der E-Mails aus Selbstschutz geschah, um sich gegen mögliche zukünftige arbeitsrechtliche Schritte der Arbeitgeberin abzusichern. Sie argumentierte, dass eine Beweisnot bestanden habe, da sie aufgrund der angespannten Situation mit ungerechtfertigten Vorwürfen gerechnet habe.

Entscheidung des Gerichts

Das Gericht stellte fest, dass die außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt war, jedoch die fristgerechte Kündigung wirksam sei.

  • Verstoß gegen die arbeitsvertragliche Rücksichtnahmepflicht: Die Weiterleitung von E-Mails an eine private Adresse ohne dienstliche Notwendigkeit stellt einen erheblichen Vertrauensbruch dar. Die Klägerin hätte erkennen müssen, dass die Arbeitgeberin dieses Verhalten nicht tolerieren würde. Dabei wog das Versenden von betriebsinternen Informationen schwer, auch wenn die Klägerin angab, dass die Daten veraltet gewesen seien. Das Gericht sah jedoch keinen unmittelbaren Schaden durch die Weiterleitung und stufte das Verhalten als weniger schwerwiegend ein.
  • Keine Unzumutbarkeit für die Arbeitgeberin: Trotz des Verstoßes stellte das Gericht fest, dass es der Arbeitgeberin zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortzusetzen. Das Vertrauensverhältnis war zwar gestört, jedoch nicht in einem Maße, das eine fristlose Kündigung rechtfertigt.
  • Fristgerechte Kündigung: Aufgrund des erheblichen Pflichtverstoßes wurde die fristgerechte Kündigung bestätigt. Das Verhalten der Klägerin, betriebliche E-Mails ohne Erlaubnis weiterzuleiten, rechtfertigte die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2019.

Fazit

Das Gericht entschied, dass das Weiterleiten von sensiblen Daten an eine private E-Mail-Adresse eine schwere Pflichtverletzung darstellt, die jedoch nicht ausreicht, um eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen. Eine ordentliche Kündigung war jedoch aufgrund des Vertrauensbruchs gerechtfertigt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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