Die Akteneinsicht kann entsprechend § 406e Abs. 2 Satz 1 StPO versagt werden – hiernach ist die Einsicht in die Akten zu versagen, soweit überwiegende Interessen des Beschuldigten oder anderer Personen entgegenstehen. Bei der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht sind daher die Interessen der Betroffenen gegeneinander abzuwägen.
Bei der Abwägung sind insbesondere
- die Schwere der gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe und
- der Umstand zu berücksichtigen, ob angesichts der Eröffnung des Hauptverfahrens ein erheblicher Verdachtsgrad besteht
- besonders sensible Daten des Angeklagten, wie sie etwa in medizinischen oder psychiatrischen Gutachten enthalten sein können, sind ein gewichtiges Kriterium;
- ebenso die Frage ob der den Angeklagten betreffende Bundeszentralregisterauszug Eintragungen enthält oder nicht;
- auch ob Hinsichtlich der Zeugen in der Akte sensible Daten enthalten sind, die über die Schilderung der dem Angeklagten zur Last gelegten Straftaten hinausgehen, muss berücksichtigt werden.
Weiterhin kann die Akteneinsicht des Berechtigten entsprechend § 406e Abs. 2 Satz 2 StPO versagt werden, soweit der Untersuchungszweck gefährdet erscheint. Eine Gefährdung des Untersuchungszwecks kann dabei angenommen werden, wenn zu befürchten ist, dass bei Gewährung der Akteneinsicht die Sachaufklärung beeinträchtigt wird, weil etwa die Kenntnis des Nebenklägers vom Akteninhalt die Zuverlässigkeit und den Wahrheitsgehalt einer noch zu erwartenden Zeugenaussage beeinträchtigen kann. Allein die Rolle als Zeuge in dem anhängigen Strafverfahren und die deshalb durch das Akteneinsichtsrecht grundsätzlich eröffnete Möglichkeit einer „Präparierung“ einer Aussage anhand des Akteninhalts reicht für eine Versagung der Akteneinsicht nicht aus (KG, 2 Ws 178/17).
Denn zum einen geht mit der Wahrnehmung des gesetzlich eingeräumten Akteneinsichtsrechts nicht typischerweise eine Entwertung des Realitätskriteriums der Aussagekonstanz einher (Brandenburgisches Oberlandesgericht, 1 Ws 81/20). Zum anderen würde durch die generalisierende Annahme, dass mit der Akteneinsicht durch den Nebenklägervertreter die Glaubhaftigkeit der Angaben eines Nebenklägers stets in besonderer Weise in Zweifel zu ziehen sei, seine freie Entscheidung, Akteneinsicht zu beantragen, beeinträchtigt werden; gerade denjenigen, die Opfer einer Straftat geworden sind, würden damit die Schutzfunktionen der §§ 406d ff. StPO entzogen (KG, 3 Ws 278/18).
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