Der Bundesgerichtshof (VI ZR 282/10) hat nochmals festgehalten, dass der sich im fließenden Verkehr bewegende Vorfahrtsberechtigte, sofern nicht Anzeichen für eine bestehende Vorfahrtsverletzung sprechen, darauf vertrauen darf, dass der Einbiegende sein Vorrecht beachten wird. Natürlich gilt der Vertrauensgrundsatz immer nur solange, wie man sich selbst an die „Spielregeln“ hält – wer die Regeln verletzt, darf auch nicht darauf vertrauen, dass andere sich an die Regeln halten. Aber: Nicht jeder Regelverstoß führt zum Verlust des Vertrauensgrundsatzes. Es kommt mit dem BGH darauf an, ob die verletzte Regel letztlich auch dem Schutz des anderen dient.
Im hier verhandelten Fall ging es um jemanden, der sich nicht an das Rechtsfahrgebot hielt – und einen anderen, der (einbiegend aus einer Ausfahrt) die Vorfahrt nicht achtete. Der Verstoss gegen das Rechtsfahrgebot schadet mit dem BGH aber nicht, denn:
Das Rechtsfahrgebot, gegen das die Klägerin nach den insoweit nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts verstoßen hat, soll sicherstellen, dass Fahrzeuge sich gefahrlos begegnen und überholen können. Es dient also dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, die sich in Längsrichtung auf derselben Straße bewegen. Hingegen sollen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs solche Verkehrsteilnehmer nicht geschützt werden, die diese Straße überqueren oder – wie der Beklagte zu 1 – in sie einbiegen wollen (vgl. Senat, Urteil vom 4. Februar 1953 – VI ZR 70/52, BGHZ 9, 6, 11 f.; vom 15. November 1966 – VI ZR 57/65, VersR 1967, 157; BGH, Urteil vom 19. September 1974 – III ZR 73/72 aaO).
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