Verkehrssicherungspflicht: Haftung für Fahrbahnbelag der unzureichende Griffigkeit

Land haftet für Strasse der Griffigkeit fehlt wegen einer Verkehrssicherungspflichtverletzung.

Im Bereich der Verkehrssicherungspflicht hat das Oberlandesgericht Hamm (11 U 166/14) für den Bereich der Strassen eine äusserst interessante Entscheidung getroffen. Es ging einmal nicht um Schlaglöcher oder sonst beschädigte Strassen sondern alleine um einen Straßenbelag der eine nicht ausreichende Grifiigkeit vorwies. Das OLG stellte hier fest:

Das Land Nordrhein-Westfalen kann aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Fahrbahnbelag haften, der eine unzureichende Griffigkeit aufweist, wenn es aufgrund dieser Gefahrenquelle zu einem Motorradunfall kommt.

Vorliegend war es aber so, dass die Griffigkeit nicht erst später Thema war, sondern schon seit Jahren dem Land als Problem an dieser Stelle bekannt war. Richtig pikant wird es, wenn man in der Entscheidung nachliest, dass das Land NRW zumindest nachhaltig Informationen zurück gehalten hat, vielleicht sogar bis zur Grenze der Täuschung, was das OLG auch klar stellt. Die Ausführungen des Gerichts im Folgenden sind äusserst lesenswert!

Aus der Entscheidung:

Aus den o.g. Vorschriften des Straßen- und Wegegesetzes NW ergibt sich für das beklagte Land die Verpflichtung, die von ihm unterhaltenen Verkehrsflächen von abhilfebedürftigen Gefahrenstellen frei zu halten. Es muss dabei nicht für alle erdenklichen, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintrittes Vorsorge treffen. Eine absolute Gefahrlosigkeit kann nicht gefordert werden. Grundsätzlich muss sich auch der Straßenbenutzer den gegebenen Straßenverhältnissen anpassen und die Straße so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Der Verkehrssicherungspflichtige muss jedoch in geeigneter und objektiv zumutbarer Weise alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen und erforderlichenfalls vor ihnen warnen, die für den Benutzer, der die erforderliche Sorgfalt walten lässt, nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzurichten vermag (vgl. nur BGH, NZV 2012, S. 533 m. w. N.). Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Maßgebend ist die Sicherheitserwartung des Verkehrs, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche, ihrer Verkehrsbedeutung und dem Maß der Ablenkung der Verkehrsteilnehmer orientiert (vgl. nur OLG Hamm, 9. Zivilsenat, NJW-RR 2006, S. 1100).

Den danach zu stellenden Anforderungen hat das beklagte Land nicht genügt. Die Verhandlung vor dem Senat hat ergeben, dass der Fahrbahnbelag an der Unfallstelle mindestens seit dem Jahre 2008 eine mangelhafte Griffigkeit aufwies, aufgrund derer nicht mehr gewährleistet war, dass Motorradfahrer trotz Einhaltung der von ihnen zu verlangenden Sorgfalt den streitgegenständlichen Streckenabschnitt bei Nässe gefahrlos passieren konnten.

Im Senatstermin vom 13.11.2015 hat das beklagte Land einräumen müssen, dass bereits im Rahmen einer Straßenzustandserhebung im Jahre 2008 eine Griffigkeit ermittelt wurde, die mit einem Seitenkraftbeiwert unterhalb des sogenannten Schwellenwerts des von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen erstellten Merkblatts zur Bewertung der Straßengriffigkeit bei Nässe (im Folgenden M BGriff) lag und zu einer Bewertung mit „mangelhaft“ führte. Den Umstand, dass das beklagte Land bis zur letzten mündlichen Verhandlung im vorliegenden Rechtsstreit die ihm vorliegenden Ergebnisse der Straßenzustandserhebung nicht bekanntgab, auf Auflage des Senats hin zunächst nur einen unvollständigen, die maßgeblichen Zahlen nicht enthaltenen Auszug aus der Tabelle vorgelegt hat und das Bestreiten unzureichender Griffigkeit der Straße aufrechterhielt, braucht der Senat nicht weiter zu kommentieren.

Die im Jahre 2008 erhobenen Werte korrespondieren mit den Ergebnissen der Messungen, die der Sachverständige Prof. Dr.-Ing. S bei Anfertigung seines Gutachtens vom 18.12.2013 im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens Landgericht Bielefeld, Aktenzeichen 18 OH 2/13, durchführen ließ. Auch bei der von ihm veranlassten Untersuchung ergaben sich Seitenkraftbeiwerte, die bei zahlreichen Einzelpunkten im hier betroffenen Straßenbereich nicht nur unterhalb des Warnwertes der Tabelle 2 des M BGriff, sondern sogar unterhalb des Schwellenwertes lagen, weshalb der Sachverständige überzeugend zu dem Ergebnis gelangt ist, dass die Fahrbahn eine für die Verkehrssicherheit kritische Griffigkeit aufwies, die ein erhöhtes Unfallrisiko zur Folge haben konnte.

Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Dieter Ferner (Fachanwalt für Strafrecht)

Rechtsanwalt Dieter Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht und Anwalt in der Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf. Spezialgebiete von RA DF: Verkehrsstrafrecht, Kapitalstrafsachen, Drogendelikte, Sexualstrafrecht und Arbeitsstrafrecht.

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