Kann eine Farbe als Marke geschützt sein – und wenn ja, wie neutral muss der Nachweis der sogenannten Verkehrsdurchsetzung erfolgen? Mit dieser Frage befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aufsehenerregenden Beschluss vom 24. April 2025 (Az. I ZB 50/24). Im Zentrum stand die Farbmarke „NJW-Orange“, die für juristische Fachzeitschriften eingetragen ist. Das Verfahren wirft grundlegende Fragen zur Beweiswürdigung im Markenlöschungsverfahren auf – insbesondere dann, wenn der Nachweis durch eine Verkehrsbefragung unter dem Einfluss laufender Werbekampagnen erbracht wird.
Sachverhalt
Die Inhaberin der bekannten juristischen Fachzeitschrift Neue Juristische Wochenschrift (NJW) ließ im Jahr 2009 eine eigens entwickelte Farbe als abstrakte Farbmarke registrieren. Die Eintragung beruhte auf der behaupteten Verkehrsdurchsetzung, jedoch ohne Vorlage eines demoskopischen Gutachtens. Im Jahr 2015 beantragte die Antragstellerin die Löschung der Marke mit der Begründung, eine Verkehrsdurchsetzung sei nicht gegeben. Das Verfahren führte über mehrere Instanzen bis vor den BGH.
Das Bundespatentgericht (BPatG) wies den Löschungsantrag zuletzt erneut zurück, nachdem es ein demoskopisches Gutachten eingeholt hatte. Dieses attestierte eine namentliche Zuordnung von über 55 % der Befragten zur Marke. Die Antragstellerin monierte jedoch, die Werbekampagne „Jura ist Orange“, die zeitgleich mit der Befragung stattfand, habe das Ergebnis unzulässig beeinflusst. Der BGH gab der Rechtsbeschwerde nun statt.
Rechtliche Analyse
Maßstab der Verkehrsdurchsetzung
Zentrales Kriterium für die Schutzfähigkeit der Farbmarke war die sogenannte Verkehrsdurchsetzung gemäß § 8 Abs. 3 MarkenG a.F. Danach kann auch ein von Haus aus nicht unterscheidungskräftiges Zeichen – wie eine Farbe – schutzfähig werden, wenn es sich in den relevanten Verkehrskreisen als Hinweis auf die betriebliche Herkunft durchgesetzt hat. Der Nachweis kann auf verschiedene Weise erfolgen; regelmäßig wird hierfür ein demoskopisches Gutachten herangezogen.
Gehörsverstoß wegen überhöhter Substantiierungsanforderungen
Der BGH beanstandete insbesondere, dass das BPatG den Vortrag der Antragstellerin zur Werbekampagne der Markeninhaberin nicht hinreichend gewürdigt habe. Zwar hatte das BPatG die Werbekampagne als solche erkannt, deren Einfluss auf das Gutachten jedoch unter Berufung auf unzureichenden Vortrag zur Reichweite verneint. Diese Einschätzung stellte nach Ansicht des BGH eine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar (Art. 103 Abs. 1 GG, § 83 Abs. 3 Nr. 3 MarkenG).
Bemerkenswert ist die Anwendung der sekundären Darlegungslast: Da es sich um eine interne Werbemaßnahme der Markeninhaberin handelte, sei es nicht Aufgabe der Antragstellerin gewesen, Details zur Reichweite der Kampagne vorzulegen. Vielmehr habe die Markeninhaberin näher darzulegen, warum eine Beeinflussung des Umfrageergebnisses ausgeschlossen werden könne. Der BGH sieht es als naheliegend an, dass eine während der Befragung laufende Imagekampagne die Ergebnisse verfälschen könne – zumal sie in einer weithin genutzten juristischen Datenbank (Beck-Online) sowie in sozialen Netzwerken wie LinkedIn durchgeführt wurde.
Bedeutung des demoskopischen Gutachtens
Der BGH betont, dass ein demoskopisches Gutachten im Falle abstrakter Farbmarken regelmäßig das zentrale Beweismittel für die Verkehrsdurchsetzung darstellt. Wird dessen Aussagekraft erschüttert – etwa durch parallele Werbemaßnahmen – kann dies den gesamten Nachweis in Frage stellen. Das Bundespatentgericht habe in unzulässiger Weise an einem bereits relativierten Gutachtenergebnis festgehalten, ohne die Konsequenzen für die Gesamtwürdigung zu reflektieren.
Keine Besetzungsrüge
Die daneben erhobene Rüge der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des BPatG scheiterte. Die Befangenheitsgesuche gegen die Richterinnen und Richter wurden als offensichtlich unzulässig gewertet. Die Rügen bezogen sich im Wesentlichen auf die publizistische Tätigkeit der Vorsitzenden in einer vom Markeninhaber vertriebenen Zeitschrift (GRUR) – ein Umstand, den der BGH nicht als willkürlichen Verfahrensmangel wertete.
Der Schutz einer Farbmarke durch Verkehrsdurchsetzung verlangt mehr als eine bloße Zuordnung in der Zielgruppe – er setzt voraus, dass diese Zuordnung ohne beeinflussende Eingriffe der Markeninhaberin ermittelt wurde. Der Fall „NJW-Orange“ illustriert exemplarisch die dogmatische und praktische Bedeutung prozessualer Fairness im Markenrecht.
Konklusion
Der Beschluss des BGH hebt erneut die hohen Anforderungen an ein objektives Verfahren zur Feststellung der Verkehrsdurchsetzung hervor. Eine Partei, die durch eigene Werbekampagnen während der Durchführung eines gerichtlichen Gutachtens den Markeneindruck im Verkehr aktiv beeinflusst, riskiert die Verwertbarkeit dieses Beweismittels. Das Urteil verdeutlicht, dass methodisch einwandfreie Beweiserhebung nicht nur technische, sondern auch verfahrensrechtliche Anforderungen stellt.
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