Urheberrecht und Künstliche Intelligenz

Rechtsanwalt zum Urheberrecht bei künstlicher Intelligenz: Systeme wie GPT, Stable Diffusion oder Midjourney können in Sekunden neue Texte, Bilder oder Musik erschaffen – auf Grundlage großer Mengen bereits existierender Werke. Doch wer ein KI-Modell trainiert, greift zwangsläufig auf bestehendes Wissen und kreative Leistungen Dritter zurück.

Hier beginnt die juristische Debatte: Ist das Training mit urheberrechtlich geschützten Inhalten erlaubt, oder handelt es sich um eine rechtswidrige Nutzung? Die Diskussion dreht sich insbesondere um das deutsche und europäische Urheberrecht, die Reichweite der Text- und Data-Mining-Schranken sowie mögliche Vergütungsmodelle für Urheber.

Die urheberrechtliche Dimension des KI-Trainings: Vervielfältigung oder Analyse?

Nach deutschem Urheberrecht (§ 16 UrhG) hat der Urheber das ausschließliche Recht, sein Werk zu vervielfältigen. Das bedeutet, dass jede dauerhafte oder vorübergehende Speicherung eines urheberrechtlich geschützten Inhalts eine rechtlich relevante Vervielfältigung darstellt. Die Frage ist daher, ob das Training einer KI in diesen Schutzbereich fällt.

Hier kommt die Text- und Data-Mining-Schranke ins Spiel, die in der EU-Urheberrechtsrichtlinie 2019/790 (DSM-RL) und im deutschen Urheberrechtsgesetz (§§ 44b, 60d UrhG) geregelt ist. Sie erlaubt die automatisierte Analyse öffentlich zugänglicher Werke, um und Zusammenhänge zu erkennen. Doch sind generative KI-Systeme, die aus Trainingsdaten nicht nur Informationen extrahieren, sondern auch kreativ neue Werke generieren, wirklich mit rein analytischem Data-Mining vergleichbar?

LG Hamburg: Erste Weichenstellung für KI-Training mit geschützten Werken

Das LG Hamburg hat in einem aktuellen Urteil (27.9.2024 – 310 O 227/23) die Anwendbarkeit der TDM-Schranke auf das KI-Training beleuchtet. Geklagt hatte ein Fotograf, dessen Bild von einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung für KI-Trainingszwecke genutzt wurde. Das Gericht entschied zugunsten der Beklagten und berief sich auf § 60d UrhG, der die Nutzung für nicht-kommerzielle wissenschaftliche Zwecke erlaubt. Doch der Fall zeigt auch die Grenzen: Kommerzielle Anbieter, die ohne Zustimmung Werke für das KI-Training verwenden, können sich nicht auf § 60d UrhG berufen.

Die Anwendbarkeit der Text- und Data-Mining-Schranke (§ 44b UrhG)

Die kommerziellen Anwendungen von KI-Modellen stehen im Zentrum der juristischen Kontroverse. Die Schranke des § 44b UrhG, die sich aus der DSM- ableitet, erlaubt auch gewerbliches Text- und Data-Mining, sofern keine ausdrücklichen Nutzungsvorbehalte bestehen. In der Praxis bedeutet das: Rechteinhaber müssen explizit widersprechen, wenn sie nicht wollen, dass ihre Inhalte zum KI-Training verwendet werden.

Allerdings ist dieses „Opt-out“-Modell problematisch:

  • Fehlende Transparenz: Viele Urheber wissen nicht, dass ihre Werke genutzt werden, und haben keine einfache Möglichkeit, ein Opt-out durchzusetzen.
  • Technische Umsetzung: Der Ausschluss muss in maschinenlesbarer Form erfolgen – eine Anforderung, die in vielen Fällen nicht erfüllt wird.
  • Internationale Probleme: Plattformen, die außerhalb der EU operieren, können das Opt-out oft ignorieren oder umgehen.

KI-Training und Vervielfältigung im Modellinnern

Ein weiteres juristisches Problem betrifft die Speicherung geschützter Werke im Innern der KI-Modelle. Während einige Argumente besagen, dass neuronale Netzwerke lediglich abstrakte Datenstrukturen auf Basis der Trainingsdaten erstellen, legen neuere Analysen nahe, dass es während des Trainings zu urheberrechtlich relevanten Vervielfältigungen kommen kann.

Besonders heikel wird es, wenn KI-Modelle geschützte Inhalte in nahezu identischer Form wieder ausgeben. In diesen Fällen liegt eine unzulässige öffentliche Wiedergabe (§ 19a UrhG) nahe, insbesondere wenn Nutzer durch spezifische Prompts urheberrechtlich geschützte Werke rekonstruieren können.

Internationale Dimension: Fair Use vs. Urheberrechtsschranken

Während die EU mit § 44b UrhG ein Opt-out-Modell gewählt hat, argumentieren Unternehmen in den USA häufig mit der Fair-Use-Doktrin. Diese erlaubt in bestimmten Fällen die Nutzung geschützter Werke ohne Zustimmung der Rechteinhaber – eine Auslegung, die in den USA stark debattiert wird. Internationale Unternehmen könnten daher versuchen, sich auf US-Recht zu berufen und europäische Schrankenregelungen zu umgehen.

Mögliche Lösungsansätze: Vergütung statt Verbote?

Juristen diskutieren zunehmend alternative Modelle zur Vergütung von Urhebern. Ein vielversprechender Ansatz ist eine pauschale Abgabe auf KI-generierte Inhalte. Dieses Modell ähnelt der Privatkopieabgabe und könnte eine faire Beteiligung der Urheber gewährleisten. Einige Vorschläge gehen sogar weiter und sehen eine KI-Vergütungsabgabe auf Trainingsdaten vor, die je nach Umfang und Nutzung der Daten berechnet wird.

Urheberrecht bei künstlicher Intelligenz (KI). Rechtsanwalt Ferner, IT-Fachanwalt, zum Urheberrecht bei künstlicher Intelligenz. Ihr Anwalt für KI & UrhG!

Langfristig könnte eine europäische Regelung zur verpflichtenden Vergütung der Urheber ein Mittelweg zwischen striktem Verbot und unkontrollierter Nutzung sein. Bis dahin bleibt das KI-Training mit fremden Inhalten ein juristischer Drahtseilakt – mit offenem Ausgang.

Fazit: Minenfeld mit weitreichenden Konsequenzen

Die aktuelle Rechtslage zum KI-Training mit geschützten Werken bleibt unsicher. Während die TDM-Schranken in der EU eine gewisse Nutzung erlauben, ist die Abgrenzung zur urheberrechtlich relevanten Vervielfältigung weiterhin unklar. Besonders für kommerzielle KI-Anwendungen dürfte sich die Debatte weiter zuspitzen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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