BGH hebt Urteil wegen besonders schweren Raubes auf

Der (BGH) hat mit Urteil vom 11. Dezember 2024 (6 StR 248/24) eine Entscheidung des Landgerichts Hannover aufgehoben, in der ein Angeklagter wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer zu einer von sieben Jahren verurteilt worden war. Zudem hatte das Landgericht die eines Betrags von 300 Euro angeordnet.

Der BGH kam jedoch zu dem Ergebnis, dass das Urteil durchgreifende Erörterungsmängel aufweist, insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Zueignungs- und Bereicherungsabsicht. Dies wirft grundsätzliche Fragen zur dogmatischen Abgrenzung von und Erpressung auf und macht eine detaillierte Betrachtung der revisionsgerichtlichen Beanstandungen notwendig.

Sachverhalt

Dem Angeklagten wurde zur Last gelegt, gemeinsam mit einem Mittäter einen Zeugen (A.) unter Anwendung körperlicher Gewalt sowie durch Drohungen zur Zahlung einer Geldsumme gezwungen zu haben. Hintergrund war eine angebliche Schuld des Sohnes des Zeugen, der dem Angeklagten 12.500 Euro gestohlen haben soll.

Nachdem A. zugesagt hatte, die Schulden seines Sohnes zu übernehmen, jedoch nur in Raten zahlen wollte, wuchs beim Angeklagten die Ungeduld. Er entschloss sich daher, A. gewaltsam zur sofortigen Zahlung zu zwingen. Gemeinsam mit einem Komplizen verschaffte er sich Zutritt zu dessen Wohnung, forderte die Zahlung von 12.000 Euro und setzte A. durch Faustschläge unter Druck.

Nachdem dieser weiterhin keine Zahlung leisten konnte, durchsuchte der Angeklagte die Wohnung nach Wertgegenständen und nahm eine Playstation, mehrere Armbanduhren sowie Kopfhörer mit. Um weiteren Druck auszuüben, bedrohte er A. mit einem Teleskopschlagstock und forderte ihn auf, binnen zwei Wochen 2.500 Euro aus seinem Arbeitslohn zu zahlen, andernfalls werde ihm „eine Kugel in den Kopf geschossen“. In der Folgezeit überwies A. tatsächlich 1.500 Euro an den Angeklagten.

Rechtliche Würdigung

1. Fehlen der Zueignungsabsicht beim Raub (§ 249 StGB)

Der Schuldspruch wegen Raubes setzt voraus, dass der Täter eine fremde bewegliche Sache unter Anwendung von Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben wegnimmt und dabei die Absicht hat, sich oder einen Dritten die Sache rechtswidrig zuzueignen.

Nach Auffassung des BGH fehlt es im vorliegenden Fall an der erforderlichen Zueignungsabsicht. Der unbedingte Wille des Angeklagten, sich die weggenommenen Gegenstände dauerhaft anzueignen, sei nicht hinreichend belegt. Vielmehr deutet die Sachlage darauf hin, dass die Mitnahme der Gegenstände möglicherweise lediglich als Druckmittel zur Erzwingung der Geldzahlung diente.

Hier liegt eine dogmatische Schwierigkeit: Während bei einem klassischen Raub die Wegnahme mit dem Ziel der eigenen Bereicherung erfolgt, kann in Fällen, in denen eine Sache lediglich als Faustpfand oder Druckmittel dient, die erforderliche Aneignungsabsicht fehlen. Der BGH verweist insoweit auf frühere Entscheidungen, in denen klargestellt wurde, dass die bloße Inbesitznahme einer Sache als Druckmittel keine Zueignungsabsicht begründet.

2. Bereicherungsabsicht und Fälligkeit der Forderung bei der Erpressung (§§ 253, 255 StGB)

Die Annahme einer räuberischen Erpressung erfordert, dass der Täter eine rechtswidrige Bereicherungsabsicht verfolgt. Dies setzt voraus, dass der erpresste Vermögensvorteil objektiv rechtswidrig ist, das heißt, dass der Täter oder ein Dritter auf diesen Vorteil keinen fälligen und einredefreien Anspruch hat.

Das Landgericht hatte angenommen, dass der Angeklagte keinen fälligen Zahlungsanspruch gegen A. hatte, da es sich um eine Ratenzahlungsvereinbarung ohne festgelegte Zahlungstermine gehandelt habe. Der BGH kritisiert jedoch, dass das Landgericht diesen Punkt nicht hinreichend begründet habe. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Angeklagte tatsächlich einen rechtlichen Anspruch auf sofortige Zahlung hatte, was die Annahme der Bereicherungsabsicht infrage stellt.

Hier zeigt sich eine weitere dogmatische Problematik: Wenn ein Täter Gewalt anwendet, um eine rechtlich bestehende Forderung durchzusetzen, kann der Tatbestand der Erpressung entfallen. Dies wäre nur dann anders zu beurteilen, wenn die Durchsetzung der Forderung durch Gewaltanwendung oder Drohung als sittenwidrig und damit als rechtswidrig anzusehen wäre.

3. Verfahrensfehler bei der Einziehung von Vermögenswerten (§§ 73 ff. StGB)

Ein weiterer Kritikpunkt des BGH betrifft die Einziehungsentscheidung des Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrer Abschlussverfügung auf eine Einziehung der entwendeten Gegenstände verzichtet. Nach § 421 Abs. 3 ist eine solche Entscheidung bindend, es sei denn, sie wird durch eine Wiedereinbeziehung aufgehoben. Eine solche Wiedereinbeziehung lag jedoch nicht vor, sodass die Einziehungsanordnung des Landgerichts gegen formelle Verfahrensvorschriften verstieß.

Darüber hinaus hätte das Landgericht auch über die Einziehung der 1.500 Euro entscheiden müssen, die A. aufgrund der Drohungen an den Angeklagten gezahlt hatte. Da eine solche Entscheidung unterblieben war, war die Revision der Staatsanwaltschaft insoweit begründet.

Folgen der Entscheidung

Die Aufhebung des Urteils bedeutet, dass das Landgericht den Fall neu verhandeln und dabei insbesondere die dogmatischen Fragen zur Zueignungs- und Bereicherungsabsicht klären muss. Für die Praxis verdeutlicht die Entscheidung, dass eine exakte Differenzierung zwischen Raub und räuberischer Erpressung notwendig ist und dass die Einziehungsregeln streng nach den Vorgaben der StPO beachtet werden müssen.

BGH hebt Urteil wegen besonders schweren Raubes auf - Rechtsanwalt Ferner

Für die Strafverteidigung ergeben sich aus dem Urteil wichtige Argumentationslinien: Sollte sich herausstellen, dass der Angeklagte die Gegenstände nur als Druckmittel mitnahm, wäre eine Verurteilung wegen Raubes ausgeschlossen. Ebenso könnte eine sorgfältige Vertragsauslegung ergeben, dass der Angeklagte tatsächlich einen fälligen Anspruch hatte, was eine Verurteilung wegen räuberischer Erpressung erschweren würde.

Fazit

Die Entscheidung des BGH in der Sache 6 StR 248/24 ist ein Lehrstück für die differenzierte Anwendung der Tatbestände des Raubes und der räuberischen Erpressung. Sie zeigt, dass die Abgrenzung dieser Delikte oft eine genaue Prüfung der Tätervorstellung erfordert und dass unzureichende Begründungen zur Aufhebung eines Urteils führen können. Zugleich unterstreicht die Entscheidung die Bedeutung einer korrekten Anwendung der Einziehungsvorschriften, die in der Praxis häufig zu Problemen führen. Durch die Zurückverweisung an das Landgericht bleibt abzuwarten, ob die neuen Feststellungen eine erneute Verurteilung des Angeklagten rechtfertigen oder ob sich im zweiten Durchgang eine für ihn günstigere rechtliche Bewertung ergibt.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Ich bin zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht und zur EU-Staatsanwaltschaft. Ich bin Softwareentwickler, in Python zertifiziert und habe IT-Handbücher geschrieben.

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