StPO: Hinweispflicht des Gerichts bei Wechsel von Mittäterschaft zu mittelbarer Täterschaft

Hinweispflicht: In einem Strafprozess trifft das Gericht mitunter eine Hinweispflicht, dies gemäß § 265 Abs. 1 . Sie ist zu beachten, wenn sich die rechtliche Beurteilung der Tat gegenüber der zugelassenen ändert; wenn also der Angeklagte auf Grund eines anderen Strafgesetzes oder eines dort nicht angeführten straferhöhenden Umstandes verurteilt oder eine dort nicht angegebene Maßregel der Besserung und Sicherung gegen ihn verhängt werden soll. Mit ständiger Rechtsprechung des BGH ist dies anzunehmen, wenn das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen will als die unverändert zugelassene Anklage – insbesondere bei einem Wechsel von Mittäterschaft zu mittelbarer Täterschaft.

So führt der BGH hierzu aus:

Dies ist regelmäßig der Fall, wenn das Gericht im Urteil von einer anderen Teilnahmeform ausgehen will als die unverändert zugelassene Anklage (…) bzw. der erteilte Hinweis. Darauf, dass die Urteilsformel nicht mitteilt, welche Form der Alleintäterschaft vorliegt, kommt es nicht an; entscheidend ist, dass der Schuldvorwurf eine andere oder eine weitere Grundlage erhält (BGH, Beschluss vom 17. Mai 1990 – 1 StR 157/90, aaO). Dies gilt auch bei einem Wechsel von Mittäterschaft zu mittelbarer Täterschaft, da gegenüber diesem Vorwurf regelmäßig eine andere Verteidigung geboten ist. So kommt es bei Annahme eines uneigentlichen Organisationsdelikts, wenn also die Tathandlung in der Entwicklung eines einheitlichen Systems oder einer organisatorischen und planerischen Grundlage für eine Vielzahl von Taten besteht, auf Grund derer der Tatmittler mehrere selbständige gleichartige Taten begeht, gerade nicht mehr auf eine Beteiligung an Einzelakten an (vgl. dazu etwa BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 – 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177, 183 f. und Beschluss vom 29. November 2017 – 5 StR 335/17 Rn. 7, NStZ-RR 2018, 312 [nur redaktioneller Leitsatz]).

BGH, 1 StR 34/18

Die Konsequenz ist, dass der Verteidigung ausreichend Zeit zur Vorbereitung zu gewähren ist – wenn dies nicht erfolgt liegt ein reversibler Verstoß gegen die Vorgaben der Strafprozessordnung vor:

Die 55-minütige Mittagspause war hierfür jedenfalls nicht ausreichend. Auch konnte nicht erwartet werden, dass die Verteidigung während der laufenden und unter Inkaufnahme, dieser nicht folgen zu können, unter Berücksichtigung der veränderten Rechtslage vorbereitet wird. Durch die Fortsetzung der Hauptverhandlung ohne nennenswerte und Ablehnung des weitergehenden Unterbrechungsantrags, hat das Landgericht dem Angeklagten entgegen dem Willen des Gesetzgebers keine ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung einer Verteidigung gegenüber der veränderten Rechtslage gewährt und gegen § 265 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StPO verstoßen. Zugleich liegt darin eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne von § 265 Abs. 4 i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO

BGH, 1 StR 34/18
Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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