Markenrecht: Händler haben eine fortlaufende Prüfpflicht hinsichtlich Veränderungen in Produkttexten

Der (I ZR 140/14) sieht Online-Händler mit einer Prüfpflicht belegt, wenn angelegte Produkte – etwa die Produktbeschreibung – im Nachhinein durch Dritte verändert werden können. So führt der BGH aus, dass Händler, die auf einer Internet-Verkaufsplattform Produkte zum Verkauf anbieten eine Überwachungs- und Prüfungspflicht auf mögliche Veränderungen der Produktbeschreibungen ihrer Angebote trifft, wenn diese selbständig von Dritten vorgenommen werden können. Das Ergebnis ist ein (derzeit) beachtliches Haftungsrisiko auf Plattformen wie Amazon-Marketplace.

Allgemeines zur Störerhaftung

Hinsichtlich der erinnert der BGH an seine bisherige Rechtsprechung:

Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers nach der Rechtsprechung des Senats die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2008 – I ZR 73/05, GRUR 2008, 702 Rn. 50 = WRP 2008, 1104 – Internetversteige- rung III; Urteil vom 12. Mai 2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 19 – Som- mer unseres ; Urteil vom 15. August 2013 – I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 21 = WRP 2013, 1348 – File-Hosting-Dienst; Urteil vom 26. November 2015 – I ZR 174/14, GRUR 2016, 268 Rn. 21 = WRP 2016, 341 – Störerhaftung des Access-Providers). Dabei sind Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen ebenso zu berücksichtigen wie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. Mai 2001 – I ZR 251/99, BGHZ 148, 13, 17 – ambiente.de; Urteil vom 9. November 2011 – I ZR 150/09, GRUR 2012, 304 Rn. 51 = WRP 2012, 330 – Basler Haar-Kosmetik).

Prüfpflichten von Händlern

Der BGH macht deutlich, dass sich die Prüfpflicht bereits alleine aus der Gefahr ergibt, dass Dritte überhaupt irgendwelche Änderungen an Produkttexten vornehmen können:

Außer aus Gesetz oder vertraglichen Regelungen kann sich eine Rechtspflicht zur Prüfung und zur Abwendung einer Rechtsverletzung auch unter dem Gesichtspunkt eines gefahrerhöhenden Verhaltens ergeben (BGH, GRUR 2012, 304 Rn. 60 – Basler Haar-Kosmetik). Die Tätigkeit als Händler auf Amazon Marketplace bringt die Gefahr von Rechtsverletzungen mit sich, weil Dritte die Produktbeschreibung ändern können. (…)

Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts können auf der Verkaufsplattform Amazon Marketplace Angebote für ein bestimmtes Produkt durch andere Händler geändert werden, wobei diese Möglichkeit in Händlerkreisen bekannt ist (…)

Unter diesen Umständen ist dem Beklagten zuzumuten, ein von ihm dauerhaft oder über einen längeren Zeitraum bei Amazon Marketplace eingestelltes Angebot regelmäßig darauf zu überprüfen, ob rechtsverletzende Änderungen vorgenommen worden sind. Kommt er dieser Prüfungspflicht nicht nach, haftet er für durch solche Veränderungen seines Angebots bewirkte Rechtsverletzungen als Störer auf Unterlassung.

Umfang der Prüfpflicht

Entsprechend seiner früheren Rechtsprechung begnügt sich der BGH damit eine Haftungsfalle zu schaffen, ohne die Begrenzung gleich mit zu formulieren. So führt der BGH zwar aus, dass man bei dem Überwachungsumfang keine zu hohen Anforderungen haben darf, stört sich aber nicht daran, zumindest irgendwie geartete Hilfen zur festen Konturierung zu bieten, wobei (natürlich) eine anlasslose Prüfpflicht bestehen soll:

Prüfungspflichten auf der Grundlage der Störerhaftung können nach der Rechtsprechung des Senats zwar nur in den Grenzen des Verhältnismäßig- keitsgrundsatzes begründet werden (…) Das spricht im Streitfall aber nicht dagegen, den auf Amazon-Marketplace tätigen Händlern eine Überwachungspflicht hinsichtlich der von ihnen eingestellten Angebote aufzuerlegen. Dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist im Rahmen der Frage der Zumutbarkeit bei der Bestimmung von Häufigkeit und Umfang der erforderlichen Prüfungen Rechnung zu tragen (…)

Die Prüfungspflicht der Händler auf Amazon-Marketplace besteht, ohne dass zuvor ein Hinweis auf eine Rechtsverletzung durch ein bestimmtes Angebot erfolgen muss. Diese Händler sind nicht Diensteanbieter im Sinne der §§ 8 bis 10 TMG, die keiner allgemeinen Überwachungspflicht unterliegen

Unabsehbares Haftungsrisiko

Das bisherige alleine genügt schon, um das Haftungsrisiko als unabsehbar einzustufen. Doch ein Detail dann macht es nochmal „besser“: Die war nicht einmal eingetragen sondern wurde erst während des laufenden Angebots eingetragen, was die Prüfungschancen des Händlers massiv erschwerte. Doch das stört den BGH nicht, man mag sich den zeitlichen Ablauf und die Ausführungen des BGH auf der Zunge zergehen lassen:

Wie sich aus der Sitzungsniederschrift (…) ergibt (…) hat der Beklagte sein Angebot ursprünglich am 13. Oktober 2010 (…) eingestellt. Bis zur durch den Kläger am 20. November 2011 hat er keine Überprüfung dieses Angebots auf rechtsverletzende Änderungen durchgeführt.

Fraglich erscheint, ob in diesem Zusammenhang der von der Revision angeführte Umstand von Bedeutung ist, der Beklagte habe erst mit Eintragung der Marke (…) am 7. November 2011 erkennen können, dass es sich um die geschützte Marke eines Dritten handelte. Grundsätzlich kann jede nachträgliche Änderung eines Herstellerzeichens den Verdacht einer unzulässigen Angebotsmanipulation begründen. Selbst wenn man aber den Beklagten erst nach Eintragung der Marke für verpflichtet hält, eine Kennzeichnung seines Angebots mit der fremden Marke zu verhindern, hat er über nahezu zwei Wochen keine entsprechende Überprüfung vorgenommen und damit jedenfalls seine Prüfpflicht verletzt.

Das Fazit am Ende: Eine Prüfpflicht wird jedenfalls innerhalb von 2 Wochen (fortlaufend!) umzusetzen sein. Dabei ist zu prüfen, ob auch zwischenzeitlich „frisch“ eingetragene Marken verwendet wurden. Wie dies im Alltag eines üblichen Händlers umzusetzen sein soll, der mehr als 3 Artikel bereit hält, ist für mich nicht darstellbar – das Haftungsrisiko entsprechend immens. Plattformen, die eine Veränderung eigener Produkttexte etc. durch Dritte ohne Kontrolle bzw. Freigabe ermöglichen sollten daher mit äusserst gesunder Skepsis gesehen werden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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