In der Vergangenheit haben sich immer wieder Gerichte mit zu hohen Handy-Rechnungen beschäftigen müssen – und dabei einige Breschen für die Verbraucher geschlagen, dazu die Links am Ende. Auch der Bundesgerichtshof (III ZR 190/11) hat in einer bisher wenig beachteten Entscheidung die Rechte der Verbraucher gestärkt und Druck auf die Provider ausgeübt. In der Tat bietet der Bundesgerichtshof in seiner vorliegenden Entscheidung die Möglichkeit, „Ausreißer“ bei Telefonrechnungen abzuwehren.
Worum ging es: Hohe Telefonrechnung
Im Kern um eine für mich wenig überraschende Entscheidung: Dem Nutzer wurde im vorliegenden Fall im Rahmen eines bereits laufenden Vertrages die Möglichkeit zur Internet-Nutzung eingeräumt, wobei der Nutzer für die Datennutzung nach Volumen (X Cent pro KB) abgerechnet wurde, während sein Telefonierverhalten nach Zeit abgerechnet wurde. Als dann ein ca. 45MB grosses Youtube-Video herunter geladen wurde, sprang die Abrechnung um weitere 750 Euro nach oben. Der BGH sah an dieser Stelle eine besondere Hinweispflicht für den Provider hinsichtlich der Gefahren, die sich durch die unterschiedliche Abrechnungsmethoden ergeben können, denn es
musste ein Durchschnittskunde bei der Erweiterung des Leistungsspektrums der Klägerin nicht davon ausgehen, dass sie das Entgelt für den neuen Dienst nach anderen Parametern berechnen werde als für den Telefonverkehr, zumal bei der Inter- netnutzung über das Festnetz außerhalb von Pauschaltarifen eine zeitabhängi- ge Entgeltberechnung zumindest weit verbreitet war.
Wenn der Provider diesen Warnpflichten nicht nachkommt, steht dem Nutzer ggfs. ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe der Abrechnungskosten zu, mit dem aufgerechnet werden kann.
Soweit wenig aufregend und für den Verbraucher gut. Aber: Der Bundesgerichtshof geht noch weiter.
Allgemeine Hinweispflichten für Provider bei Kostenexplosion auf Telefonrechnung?
Angesichts dieser Thematik hat sich der Bundesgerichtshof dann aber sehr ausführlich mit allgemeinen Hinweispflichten beschäftigt. Und da meint der BGH nicht nur, dass diese ja grundsätzlich bestehen, sondern gerade im TK-Sektor besonders anzunehmen sein können:
Insbesondere in Bereichen, in denen nicht spezifisch vorgebildeten Verbrauchern die Nutzung anspruchsvoller Technik angeboten wird, kommen solche Hinweis- und Aufklärungspflichten des Vertragspartners in Betracht, der im Gegensatz zur anderen Seite über den notwendigen Sachverstand verfügt. Dies trifft auch und gerade auf den Telekommunikationssektor zu. In diesem kommt nicht nur komplizierte Technik mit einer mittlerweile schon schwer zu überblickenden Fülle von Anwendungsmöglichkei- ten und Tarifen zum Einsatz. Vielmehr zeichnet sich dieser Bereich überdies im Verbund mit der Computertechnologie durch eine besonders dynamische Fortentwicklung aus (vgl. hierzu Senatsurteil vom 9. Juni 2011 – III ZR 157/10, WM 2011, 1678 Rn. 28), die der Durchschnittsverbraucher nicht ständig nachverfolgt.
Sprich: Gerade in einem derart auf Endkunden ausgerichteten Bereich wie dem TK-Sektor, der auch noch besoners unübersichtlich ist, muss man darauf achten, seine Kunden zu schützen und eine Selbstschädigung zu vermeiden. Der BGH erkennt hier sodann, vorausgesetzt es besteht die technische Möglichkeit,
die Verpflichtung der Klägerin als Diensteanbieterin, ihre Kunden, etwa mittels einer SMS, zu warnen, wenn die Kosten für die jeweilige Inanspruchnahme des Internetdienstes den üblicherweise von einem durchschnittlichen Nutzer ausgeschöpften Rahmen signifikant überstiegen, so dass die Gefahr einer unbewussten Selbstschädigung nahe lag. Hierdurch hatte die Klägerin dem Nutzer die Möglichkeit zu geben, die Verbindung zur Vermeidung weiterer unerwünscht hoher Kosten zu beenden.
Da es hier im einen Sachverhalt aus dem Jahr 2008 ging, sollte man die Frage der „technischen Möglichkeit“ nicht überbewerten. Vielmehr sollte es heute kein Problem mehr sein, innerhalb von 24h bei einem signifikanten Verbrauchsanstieg, eine Warn-SMS zu schicken. Sehr beeindruckend ist auch, wie der BGH die Abrechnungspraxis der Mobilfunkbereiber gegen diese einsetzt. So erklärt der BGH, dass man als Verbraucher bei einer Abrechnung nach Datenmenge gar keine Chance hat, ernsthaft den Verbrauch im Auge zu haben. Und selbst bei zeitlicher Abrechnung, wo man eine solche Möglichkeit ja hat, darf man das nicht überbewerten, weil die unübersichtlichen Tarife das Leben schon schwer genug machen. Deutlicher geht es kaum.
Auch die Möglichkeit, sich selbst auf einem Internetfähigen Handy eine „App“ zu installieren, die den Verbrauch zählt und warnt, lässt der BGH nicht wirklich gelten. Dabei berücksichtigt er unter anderem, dass der Provider ja ohnehin den Verbrauch erfassen muss.
Im Ergebnis gilt mit dem Bundesgerichtshof (und der bisherigen Rechtsprechung) eindeutig: Zurücklehnen und abkassieren ist nicht mehr. Provider haben Rücksichtnahme-Pflichten hinsichtlich Ihrer Kunden – und wenn man dem nicht nachkommt, bleibt man halt mal auf den Kosten sitzen. Verbraucher dürfen sich freuen, müssen aber auch den Mut haben, sich zu wehren.
Zum Thema „hohe Handyrechnung“ auch bei uns:
- LG Kiel zu hohen Mahngebühren und Auszahlung von Restguthaben
- Zu hohe Handy-Rechnung: Kein Zahlungsanspruch
- Rechtsprechung weiter im Einsatz gegen hohe Handyrechnungen
- LG Münster: Vorvertragliche Pflichten des Mobilfunkanbieters beim Handyverkauf
- Dubai Unlocked: Die dunkle Seite der glitzernden Immobilienwelt - 10. November 2024
- LG Münster zu Onecoin - 10. November 2024
- Aktuelle Hinweise zur Gestaltung „sicherer“ Software - 10. November 2024