Einwilligung in Körperverletzung

Das Strafgesetzbuch macht in §228 StGB deutlich, dass derjenige, der eine mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, nur dann rechtswidrig handelt, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt. Doch wann liegt ein solcher Verstoß gegen die guten Sitten vor?

Die Unvereinbarkeit einer Körperverletzung mit den „guten Sitten“ im Sinne von § 228 StGB trotz der Einwilligung des betroffenen Rechtsgutsinhabers hängt von der ex-ante zu bestimmenden Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs unter Berücksichtigung von Art und Gewicht des eingetretenen Körperverletzungserfolgs sowie des damit einhergehenden Gefahrengrads für Leib und Leben des Opfers ab (BGH, 3 StR 233/14, 2 StR 505/03, 1 StR 585/12 – Grundlegend: BGH, 4 StR 373/52).

Mit dieser Rechtsprechung des BGH ist die Körperverletzung jedenfalls dann als sittenwidrig zu bewerten, wenn bei objektiver Betrachtung unter Einbeziehung aller maßgeblichen Umstände die einwilligende Person durch die Körperverletzungshandlung in konkrete Todesgefahr gebracht wird (BGH, 3 StR 120/03, 2 StR 505/03, 4 StR 328/08). Findet indes die Tat unter Bedingungen statt, die den Grad der aus ihr hervorgehenden Gefährlichkeit für die körperliche Unversehrtheit oder das Leben des Verletzten begrenzen, ist die Körperverletzung durch die erklärte Einwilligung gerechtfertigt, wenn das Vereinbarte in ausreichend sicherer Weise für die Verhütung gravierender, sogar mit der Gefahr des Todes einhergehender Körperverletzungen Sorge tragen kann; insoweit ist auch die Eskalationsgefahr zu berücksichtigen, die sich aus der Unkontrollierbarkeit gruppendynamischer Prozesse ergibt (zusammenfassend BGH, 1 StR 585/12).

Hinzuziehen von Unterstützern

Die Hinzuziehung von Unterstützern schadet nicht, solange deren Eingreifen nicht verabredet ist. Ein solches ist zwar bei einem ungünstigen Kampfverlauf ein mögliches deliktstypisches Gruppenverhalten (Eskalationsgefahr). Dieser Aspekt darf jedoch mit dem BGH nicht isoliert betrachtet werden; denn die Anwesenheit von Unterstützern birgt die Möglichkeit eines deeskalierenden Eingreifens:

Ihre Mobilisierung ist doppelrelevant, was – anders als bei verabredeten tätlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Gruppen – zur Begründung der Sittenwidrigkeit im Sinne von § 228 StGB nicht ausreicht. Zwar kann die Gefahr bestehen, dass sich Anhänger im Rahmen eines gruppendynamischen Prozesses zu einem Eingreifen veranlasst sehen; die mit dem Zweikampf verbundene Gefahr kann aber auch gemindert werden, weil die Unterstützer die Kämpfer überwachen, das Einhalten der Kampfesregeln sicherstellen und andere zurückhalten könnten.

BGH; 1 StR 368/19

Einwilligungsfähigkeit

Die rechtfertigende Wirkung der Einwilligung des Geschädigten scheitert auch bei Jugendlichen nicht an deren fehlender Einwilligungsfähigkeit: Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist einwilligungsfähig, wer nach seiner geistigen und sittlichen Reife imstande ist, Bedeutung und Tragweite des konsentierten Rechtsgutsangriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen, wobei umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je gewichtiger der Angriff ist und je schwerer seine Folgen abzusehen sind (BGH, 3 StR 713/52, 5 StR 533/58, 5 StR 541/17).

So entspricht es mit dem BGH dem mit dem Heranwachsen zunehmenden Reifegrad eines 15-jährigen, über den höchstpersönlichen Schutz seiner körperlichen Integrität in diesem Maße gegenüber einem Kontrahenten derselben Altersstufe selbstbestimmt und autonom disponieren zu können (so ausdrücklich BGH, 1 StR 368/19).

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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