Durchsuchung bei Geldwäscheverdacht

LG Saarbrücken konkretisiert Anforderungen an den doppelten Anfangsverdacht: Mit Beschluss vom 18. Juli 2024 (Az. 13 Qs 19/24) hat die 4. Jugendkammer des Landgerichts Saarbrücken eine wichtige Entscheidung zur verfassungsrechtlichen Begrenzung strafprozessualer Ermittlungsmaßnahmen getroffen.

Im Zentrum der Entscheidung steht die Frage, welche Voraussetzungen für die Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung bei Geldwäscheverdacht erfüllt sein müssen – insbesondere unter der seit März 2021 geltenden Fassung des § 261 StGB im „all-crimes“-Modell. Das Gericht stellt klar: Auch nach neuer Gesetzeslage muss ein „doppelter Anfangsverdacht“ vorliegen – ein bloßer Verdacht auf eine Geldwäschehandlung genügt nicht.

Sachverhalt

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken führte ein gegen einen Beschuldigten wegen Geldwäscheverdachts. Ausgangspunkt war eine Verdachtsmeldung nach dem Geldwäschegesetz (§ 43 GwG), ausgelöst durch ungewöhnliche Geldbewegungen: Über ein Bankkonto des Beschuldigten waren in kurzer Zeit hohe Beträge von Privatpersonen eingegangen, die dann unmittelbar auf Konten bei Kryptowährungsdienstleistern transferiert wurden. Die Herkunft der Gelder war unklar, der Beschuldigte konnte sie nicht plausibel erklären.

Das Amtsgericht Saarbrücken erließ zunächst einen , welcher am neuen Wohnort des Beschuldigten in einem Studentenwohnheim erneut aufgegriffen wurde. Im Zuge der wurde ein iPhone sichergestellt. Der Beschuldigte legte daraufhin Beschwerde ein – mit Erfolg.


Rechtliche Analyse

1. Anforderungen an den Anfangsverdacht bei Geldwäsche

Das Landgericht Saarbrücken stellt in seiner Begründung mit Nachdruck klar, dass auch unter Geltung des „all-crimes“-Modells des § 261 StGB für eine Durchsuchung ein doppelter Anfangsverdacht erforderlich ist. Dies bedeutet:

  • Ein Anfangsverdacht muss sowohl für die Geldwäschehandlung als auch für die zugrundeliegende Vortat bestehen.
  • Die Vortat muss zumindest in ihren wesentlichen Konturen bekannt sein.
  • Vage Vermutungen oder bloß ungewöhnliche Transaktionsmuster – wie sie typischerweise in Verdachtsmeldungen nach § 43 GwG auftauchen – reichen nicht aus.

Damit widerspricht das LG Saarbrücken ausdrücklich der Ansicht, wonach allein der Verdacht einer verschleierungsgeeigneten Handlung (z. B. Transfers auf Krypto-Konten) die Maßnahme rechtfertigen könne. Es bezieht sich unter anderem auf die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 31.1.2020 – 2 BvR 2992/14), wonach eine bloße Ausforschung verboten ist.

2. Verfassungsrechtlicher Maßstab: Schutz der Wohnung

Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung – ein besonders starkes Grundrecht. Eingriffe wie eine Durchsuchung bedürfen deshalb eines tragfähigen und auf konkreten Tatsachen beruhenden Anfangsverdachts. Die Entscheidung betont: Die Ermittlungsbehörden dürfen eine Durchsuchung nicht dazu nutzen, Beweise zu suchen, um den Anfangsverdacht erst zu begründen. Eine Umkehr dieser Reihenfolge wäre verfassungswidrig.

3. Keine Beweiserleichterung durch „all-crimes“-Modell

Das Gericht stellt fest, dass der Gesetzgeber mit der Abschaffung des Vortatenkatalogs in § 261 StGB zwar die Beweisführung erleichtern wollte – dies jedoch nicht zu einer Absenkung der verfassungsrechtlichen Anforderungen führen darf. Auch unter dem neuen Modell ist die Darlegung einer konkreten Vortat notwendig, da ansonsten keine sinnvolle Verhältnismäßigkeitsprüfung möglich ist.

Rechtsanwalt Jens Ferner, TOP-Strafverteidiger und IT-Rechts-Experte - Fachanwalt für Strafrecht und Fachanwalt für IT-Recht

Auch im Zeitalter digitaler Vermögenswerte und der erweiterten Reichweite des § 261 StGB bleibt das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung eine hohe Hürde für Ermittlungsmaßnahmen. Die Entscheidung des LG Saarbrücken mahnt zur Zurückhaltung und rechtsstaatlichen Präzision – und stärkt damit die Substanz des strafprozessualen Verhältnismäßigkeitsprinzips.

Fazit

Die Entscheidung des LG Saarbrücken setzt ein wichtiges Signal für den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz vor übereilten strafprozessualen Maßnahmen. Sie erinnert daran, dass selbst bei wirtschaftsstrafrechtlich brisanten Verdachtsmomenten – wie beim Umgang mit Kryptowerten – die Schwelle für staatliche Eingriffe hoch bleiben muss. Die bloße Existenz auffälliger Transaktionen genügt nicht: Der Verdacht einer konkreten Vortat muss auf tatsächlichen Anhaltspunkten beruhen, nicht auf einem Generalverdacht gegen ungewöhnliche Zahlungsbewegungen.

Fachanwalt für Strafrecht & IT-Recht bei Anwaltskanzlei Ferner Alsdorf
Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht und anspruchsvolles IT-Recht inkl. IT-Sicherheitsrecht - ergänzt um Arbeitsrecht mit Fokus auf Managerhaftung. Von Verbrauchern werden allein Strafverteidigungen und im Einzelfall Fälle im Arbeitsrecht übernommen!
Rechtsanwalt Jens Ferner

Von Rechtsanwalt Jens Ferner

Rechtsanwalt Jens Ferner ist Fachanwalt für Strafrecht sowie Fachanwalt für IT-Recht und widmet sich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht - mit Schwerpunkten in Cybercrime, Cybersecurity, Softwarerecht und Managerhaftung. Er ist zertifizierter Experte für Krisenkommunikation & Cybersecurity; zudem Autor sowohl in Fachzeitschriften als auch in einem renommierten StPO-Kommentar zum IT-Strafprozessrecht sowie zur EU-Staatsanwaltschaft. Als Softwareentwickler ist er in Python zertifiziert und hat IT-Handbücher geschrieben.

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