Ein Artikel in der ZEIT-Online beschäftigt sich mit der Frage des Vorgehens im Fall „kino.to“: Hier wurde die laufende Webseite abgeschaltet, die Server-Hardware beschlagnahmt und der Inhalt der Webseite durch eine eigene Seite ersetzt. Nun fragt sich nicht nur Thomas Stadler: Geht das überhaupt? Ich versuche – in aller Kürze – ein wenig auszuhelfen.
Angeblich beruft sich die Staatsanwaltschaft auf §94 II StPO:
Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.
Stadler verweist zu Recht darauf, dass „Gegenstände“ hierbei extensiv zu verstehen ist und auch Daten darunter fallen – aber: Das ist m.E. gar nicht der Punkt. Vielmehr muss man sich fragen, ob überhaupt eine Beschlagnahme der Domain stattgefunden hat. Vielmehr hat man ja nur den vorhandenen Seiteninhalt ersetzt. Eine echte „Beschlagnahme“ der Domain, die sie vollständig dem Domaininhaber entzieht, scheint bisher gar nicht vorzuliegen. Insbesondere habe ich den Eindruck, dass man zwar auf dem Server eine neue Webseite hinterlegt hat, aber z.B. der Domaininhaber weiterhin die Domain auf einen neuen Server umleiten könnte. Jedenfalls mit dem, was bisher beschrieben wurde, sehe ich gar keinen Anhaltspunkt, überhaupt von einer „Beschlagnahme einer Domain“ zu sprechen.
Beschlagnahme einer Domain?
Die Frage wird nun nahe liegen: Wie soll denn eine Beschlagnahme einer Domain aussehen? DIe Antwort findet sich in der StPO, ein wenig versteckt im §111c StPO. Konkret: Im dritten Absatz, wo zu lesen ist:
Die Beschlagnahme einer Forderung oder eines anderen Vermögensrechtes, das nicht den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen unterliegt, wird durch Pfändung bewirkt.
Da eine Domain mit dem Bundesgerichtshof (VII ZB 5/05) nichts anderes als eine Forderung ist, die zudem der Pfändung unterliegt, wird man nicht umhin kommen, zu einer „echten“ Beschlagnahme einer Domain durch die Staatsanwaltschaft diese zu pfänden, also ein wenig Aufwand zu betreiben. Das ist nichts Kompliziertes, nur eben etwas aufwändiger, als einfach eine HTML-Seite auf einer Festplatte zu hinterlegen. Also: Kann die Staatsanwaltschaft Domains beschlagnahmen? Selbstverständlich.
Qualifikation der aktuellen Maßnahme?
Ich sehe somit keinen Anlass, in dem jetzigen Vorgehen eine „Beschlagnahme einer Domain“ zu sehen. Überhaupt habe ich erhebliche Probleme, in der StPO eine geeignete Maßnahme für die Hinterlegung einer selbst erstellten Webseite unter einer fremden, nicht beschlagnahmten Domain, zu finden. Mit Blick auf die Strafprozessordnung möchte ich letztlich das Verhalten von Polizei und Staatsanwaltschaft nicht rechtfertigen.
Allerdings heisst das noch lange nicht, dass damit die Maßnahme rechtswidrig war. Vielmehr wird man überlegen müssen, ob die Hinterlegung einer Informationswebseite zum einen dem Bereich der Gefahrenabwehr unterfallen kann. In diesem Fall würde die Polizei selbstständig, auf Grundlage des jeweiligen Polizeigesetzes, handeln – aber eben nicht auf Grundlage der Strafprozessordnung (die nur im repressiven Bereich Anwendung findet). Man kann sich an dem Punkt allerdings den Mund fusselig diskutieren, wo genau die Gefahr liegen soll, die durch die Polizei bekämpft wird im Hinterlegen einer neuen Webseite (das Abschalten der Seite als automatische Folge der Beschlagnahme der Server-Hardware sollte schliesslich auch ausreichen).
Vereinfacht wird die Argumentation im Bereich der Gefahrenabwehr auch nicht gerade dadurch, dass hier ein Text hinterlegt wurde, mit dem offenkundig den Nutzern auch noch gedroht wurde (hier einzusehen bei Heise).
Im Ergebnis wird es eine Wertungsfrage sein, wie man mit dem aktuellen Vorgehen umgehen möchte. Eine Beschlagnahme möchte ich jedenfalls ablehnen, sehe im Fall einer „echten“ Beschlagnahme aber eher wenig Hürden für die Staatsanwaltschaft, da die StPO eine solche tatsächlich vorsieht.
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