Blogger und die … Pflicht zur Wahrheit?

Rechtsanwalt Ziegelmayer schreibt bei LTO u.a. zur Frage, ob das „Laienprivileg“ heute noch zeitgemäß ist, insbesondere auf Blogger Anwendung finden sollte. Der Artikel ist, das sollte man auch bei anderer erkennen können, lesenswert und in der Würdigung auch keineswegs abwegig.

Vielleicht: Ist das Ergebnis sogar naheliegend, wenn Ziegelmayer schreibt:

Sie [Blogger] müssen aber – wie Presseunternehmen auch – mit dem bloßen „Druck“ berechtigter und unberechtigter äußerungsrechtlicher Ansprüche leben lernen.

Ich sehe an dieser Stelle die Weiche, die man für sich stellen muss – es geht hier nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern um die Frage, wie man Blogger bewerten möchte. Ziegelmayer macht es kurz – schon fast subtil – wenn er ausgerechnet in einem Satz zur Haftungsproblematik „Blogger“ und „Presseunternehmen“ auf eine Stufe nebeneinander stellt mit den Worten „wie … auch“.

Nun mag man das heute sehen, dies ist ein Risiko, das ich schon lange fürchte: „Blogger“ pochen gerne darauf, unter die zu fallen und Rechte ähnlich einem Pressemedium zu haben. Das ist keineswegs falsch, sogar neheliegend. Doch wer die Rechte einer Presse einfordert, muss auch mit deren Pflichten leben lernen. Dazu gehören auf jeden Fall (auch) juristische Streitereien über das, worüber man schreibt.

Doch bevor man soweit ist, muss man erst einmal die „Weiche“ stellen und sich überlegen, ob „Blogger“ wirklich wie Presseunternehmen insgesamt zu beurteilen sind. Ich für meinen Teil bin da noch sehr skeptisch. Dies schon alleine, weil es nicht „den Blogger“ gibt. Es gibt nicht nur diejenigen, die es als Berufung sehen, Missstände aufzuklären oder sich politisch zu betätigen. Es gibt viele Gründe zu bloggen: Sei es als Fan, der einfach nur berichtet und seine Meinung kund tut. Oder als Familienmitglied, das gelangweilt ist und vor sich hin schreibt. Durch das Internet und frei verfügbare Software sowie günstiges Webseiten-Hosting kann heute jeder (in der Theorie) eine breite Masse mit seinen Publikationen erreichen. Aber genügt diese faktische theoretische Erreichbarkeit schon, um sich wie ein Presseunternehmen behandeln zu lassen?

Wie schlimm eine wild gewordene Presse sein kann für Betroffene erlebt man gerade im strafrechtlichen Alltag immer wieder aufs neue, wenn Unschuldige durch vorschnelle Pressemitteilungen – auch der Staatsanwaltschaften – in den Fokus gerückt werden. Der Vorfall kürzlich in Menden war da insgesamt kein Einzelfall, wenn auch ein besonders schlimmes Beispiel. Und es zeigt sich, dass es insgesamt sicherlich ein Unterschied ist, ob „irgendwelche Blogs“ derartige Vermutungen anstellen (was selbstverständlich justiziabel ist) oder eben „die Presselandschaft“. So sehr die Häme auch reicht und die Kausalität nicht zu leugnen ist: Zurückgetreten sind der letzte Bundespräsident oder ein ehemaliger Verteidigungsminister wohl weniger wegen Blogs oder Tweets als vielmehr wegen der nicht enden wollenden Presseberichte.

Das soll die Bedeutung der „neuen Öffentlichkeit“ nicht schmälern. Ich denke aber, man begeht (noch) einen schwerwiegenden Fehler, wenn man Presseunternehmen und Blogs pauschal auf eine Stufe stellt. Der bloggende Fußballfan mit 10 Lesern am Tag, der einen Zeitungsartikel mit Fehlinformationen zitiert, ist etwas anderes als ein Blog wie Netzpolitik oder die Süddeutsche Zeitung. Das Laienprivileg, das die Privatperson in ihrem Glauben an die Presse schützen soll, überholt sich nicht dadurch, dass Privatpersonen auf einmal (theoretisch) mehr Aufmerksamkeit erhalten können. An der Stelle muss man auch erkennen, dass das Laienprivileg insofern auch die Presse darin schützt, zitiert werden zu dürfen und auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss zu nehmen. Dies nun dadurch zu untergraben, dass man kurzerhand das Individuum der öffentlichen Meinungsbildung selbst zur Presse erklärt, finde ich kritisch.

Und auch wenn Ziegelmayer schreibt:

Sie müssen aber – wie Presseunternehmen auch – mit dem bloßen „Druck“ berechtigter und unberechtigter äußerungsrechtlicher Ansprüche leben lernen.

Darf eines nicht vergessen werden: Das hier mitschwingende „Das Risiko gehört dazu – lass es sein wenn es dir nicht passt“ gefährdet nicht einfach nur die persönliche Affektion des einzelnen Bloggers. Die „neue Öffentlichkeit“ ist heute fester Bestandteil unserer Gesellschaft, die auch zunehmend Einfluss auf die „etablierte Presse“ nimmt. Wenn man dieser „neuen Öffentlichkeit“ uneingeschränkt die Risiken aufbürdet, die auch für Presseunternehmen gilt, wird sie auf kurz oder lang sterben. Damit gefährdet man letztlich einen wesentlichen Teil öffentlicher Meinungsäußerung und auch Meinungsbildung. Pauschalitäten sind insofern m.E. nicht nur fehl am Platz, sondern hochgradig gefährlich.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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