Mit dem Bundesgerichtshof gilt für die Revisionsinstanz erst einmal grundsätzlich, dass wenn der zunächst zum notwendigen Verteidiger bestellte Rechtsanwalt allein deshalb gemäß § 143 StPO entpflichtet wurde, weil sich ein anderer Rechtsanwalt als Wahlverteidiger gemeldet hatte, es im Falle der Beendigung des Mandats grundsätzlich nicht in Betracht kommt, den neuen Verteidiger seinerseits als notwendigen Verteidiger beizuordnen. Vielmehr wird regelmäßig der frühere Pflichtverteidiger wieder zu bestellen sein (BGH, 1 StR 496/08).
Aber: Wie das OLG Stuttgart (4 Ws 222/15) hervorhebt gibt es eben Ausnahmen. Dabei betont auch das OLG Stuttgart, dass regelmäßig der frühere Pflichtverteidiger wieder zu bestellen sein wird, wenn dieser zunächst als bestellter Verteidiger allein deshalb gemäß § 143 StPO entpflichtet worden war, weil ein anderer Rechtsanwalt sich als Wahlverteidiger gemeldet hatte:
Ein Rechtsanwalt kann seine Bestellung als Pflichtverteidiger nicht dadurch erreichen, dass er zunächst durch die Übernahme eines Wahlmandats die Entpflichtung des bisherigen Pflichtverteidigers gemäß § 143 StPO bewirkt und dann – verbunden mit dem Antrag, ihn als Pflichtverteidiger zu bestellen – sein Wahlmandat niederlegt. Die Beiordnung des Wahlverteidigers als Pflichtverteidiger kommt in aller Regel nicht in Betracht, wenn er zuvor einen Kollegen aus seiner Stellung als Pflichtverteidiger verdrängt hat. Anderenfalls könnten die Grundsätze über die Rücknahme einer Pflichtverteidigerbestellung und deren Grenzen allzu leicht unterlaufen werden. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Wahlverteidiger, der die Entpflichtung eines Pflichtverteidigers erwirkt, seinen Beiordnungsantrag in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Entpflichtung oder mit zeitlicher Verzögerung stellt (OLG Köln, Beschluss vom 24. September 2012 – 2 Ws 678/12 – juris mwN).
Die Rechtsprechung war – mit Verlaub – dämlich: Wenn der Mandant sich einen Anwaltswechsel nach abgeschlossener Instanz wünscht, ist kein ernsthafter Grund ersichtlich, ihm das zu verwehren. Die erste Instanz. ist abgeschlossen, Mehrkostenentstehen nicht und gerade in der Revision spielen Fragen der Tatsachenfeststellung aus erster Hauptverhandlung faktisch keine Rolle. Diese zum alten recht ergangene Rechtsprechung dürfte indes nach der Reform der Pflichtverteidigung nicht weiter gelten, da der Gesetzgeber eine ausdrückliche Neuregelung diesbezüglich aufgenommen hat: In §143a Abs.3 StPO ist nunmehr ausdrücklich vorgesehen, dass jedenfalls für die Revision ein Anwaltswechsel binnen 1 Woche ab Lauf der Revisionsbegründungsfrist möglich ist.
Jens Ferner
StrafverteidigerAuch das OLG hob seinerzeit hervor, dass es gewichtige Gründe geben kann für einen Anwaltswechsel: Der Anspruch auf ein faires Verfahren kann mit dem OLG Stuttgart unter den besonderen Umständen des Einzelfalls gebieten, von diesem regelmäßigen Vorgehen abzuweichen. Nicht immer schon dann, wenn tatbestandlich von einem „Verdrängen“ des bisherigen Pflichtverteidigers gesprochen werden kann, darf die Bestellung des vom Beschuldigten gewünschten (neuen) Anwalt des Vertrauens unterbleiben.
Einem Beschuldigten ist grundsätzlich der Anwalt seines Vertrauens beizuordnen, wenn dem nicht wichtige Gründe entgegenstehen. Vorschläge des Beschuldigten sind möglichst zu berücksichtigen. Mangelndes Vertrauen gibt regelmäßig Veranlassung, von der Bestellung abzusehen; das fehlende Vertrauen muss der Beschuldigte lediglich schlüssig darlegen, nicht aber beweisen.
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