Werberecht: Zur bauordnungsrechtlichen Zulässigkeit von Werbeanlagen in Form von beleuchteten Werbeplakat-Tafeln

Die Aufstellung von Werbeanlagen ist an öffentlichen Verkehrsflächen immer wieder eine Diskussion mit der zuständigen Behörde – gerade an stark befahrenen Strassen oder Kreuzungen ist dann die pauschale Standard-Argumentation, dass eine Ablenkung und damit Verkehrsgefährdung droht. So einfach ist es aber nicht, wie das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (5 K 6168/13) zu Recht klar gestellt hat:

Voraussetzung für eine Verkehrsgefährdung im Sinne dieser Vorschrift, ist die Erwartung, dass ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer durch die geplante Werbeanlage abgelenkt wird, wobei auf die jeweiligen örtlichen Verhältnisse abzustellen ist. Eine abstrakte Gefährdung genügt nicht. Entscheidend ist, ob durch die geplanteWerbeanlage ein Zustand geschaffen wird, der eine konkrete Gefährdung erwarten lässt.

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 149/91 -, Urt. v. 17. April 2004 – 10 A 4188/01 -, jeweils zit. nach juris.

Eine konkrete Gefahr ist dabei gegeben, wenn aus einer tatsächlich vorhandenen Situation hinreichend wahrscheinlich eine Gefährdung der Rechtsgüter erfolgt. Gerade in dem jeweiligen Einzelfall muss in überschaubarer Zukunft mit einem Schadenseintritt zu rechnen sein. Dabei hängen die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit von der Qualität des möglicherweise eintretenden Schadens ab. Da mit dem Leben und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer und der übrigen möglicherweise vom Verkehrsgeschehen betroffenen Menschen hohe Schutzgüter in Rede stehen, dürfen an die Feststellung der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts keine übermäßig hohen Anforderungen gestellt werden.

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 149/91 -, Beschl. v. 21. November 2000 – 7 A 5203/00 -, Urt. v. 6. Februar 2003 – 10 A 3464/01 -, Urt. v. 17. April 2004 – 10 A 4188/01 -, jeweils zit. nach juris; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar, Loseblatt, § 13 Rn. 95.

Ausgehend von diesen Grundsätzen entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass mit Rücksicht auf die Fülle der Eindrücke, denen ein Verkehrsteilnehmer im modernen Stadtverkehr ständig, insbesondere durch Werbung aller Art, ausgesetzt ist, von herkömmlichen Werbeanlagen ohne Bildwechsel in der Regel keine Ablenkung und damit keine verkehrsgefährdende Wirkung ausgeht.

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 149/91 -, Urt. v. 17. April 2002 – 10 A 4188/01 – jeweils zit. nach juris; VG Gelsenkirchen, Urteile vom 26. September 2012 ‑ 5 K 5183/11 ‑ und vom 22. November 2012 ‑ 5 K 4682/11 ‑; Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Kommentar, Loseblatt, § 13 Rn. 96.

Im Vergleich zu herkömmlichen Werbeanlagen führen Mega-Light-Werbeanlagen ebenso wie andere Werbeanlagen mit beweglichen oder wechselnden Bildern zu einer qualitativ gesteigerten visuellen Ablenkung von Kraftfahrzeugführern. Es gilt der Grundsatz, dass ein Betrachter auf bewegliche Anlagen empfindlicher reagiert als auf ruhende Objekte. Diese Wirkung wird durch die Erzeugung eines Überraschungseffektes und die Weckung der Neugier (auf das nächste Bild) hervorgerufen und verstärkt.

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 149/91 -, zit. nach juris; Heintz, in: Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, BauO NRW, Kommentar, § 13 Rn. 106.

Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, dass entsprechende Anlagen gleichsam regelmäßig zu einer Verkehrsgefährdung führen, soweit sie nicht ausnahmsweise in einen verkehrlich besonders ruhigen Raum hineinwirken.

So noch OVG Münster, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 149/91 -, Urt. v. 18. September 1992 – 11 A 420/91 – (Fußgängerzone), jeweils zit. nach juris.

Es muss immer wieder betont werden: Betreiber von Werbeanlagen dürfen sich nicht kurzerhand abspeisen lassen mit grundsätzlichen Erwägungen. Wenn vor Ort keine Gefährdung zu erkennen ist, wird es schwierig, eine herbei zu reden.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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