Veranlassung zur Aufnahme oder Fortsetzung der Zwangsprostitution

Der BGH (3 StR 132/20) konnte zur Veranlassung zur Aufnahme oder Fortsetzung der Zwangsprostitution festhalten:

  • Der Täter veranlasst eine zur weiteren Ausübung der bereite Person im Sinne des § 232a Abs. 1 Nr. 1 StGB zur Fortsetzung derselben, wenn er sie entgegen ihrem Willen zu einer qualitativ intensiveren oder quantitativ wesentlich umfangreicheren Form der Ausübung bewegt oder von einer weniger intensiven bzw. wesentlich weniger umfangreichen Form abhält.
  • List im Sinne des § 232a Abs. 3 StGB verlangt, dass sich die irreführenden Machenschaften auf die Tatsache der Prostitutionsausübung an sich beziehen. Das lediglich arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, genügt nicht. Das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums wird deshalb regelmäßig von dem Tatbestandsmerkmal nicht erfasst.

So führt der Senat zur Annahme der List aus:

Entgegen der vom Landgericht vorgenommenen rechtlichen Beurteilung verwirklichten die Mitangeklagten nicht den Qualifikationstatbestand der schweren Zwangsprostitution nach § 232a Abs. 3 StGB. Die Veranlassung der Fortsetzung der Prostitution erfolgte nicht durch List im Sinne dieser Vorschrift.

List ist jede Verhaltensweise des Täters, die darauf gerichtet ist, seine Ziele unter geflissentlichem und geschicktem Verbergen der wahren Absichten und Umstände durchzusetzen. Das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums fällt allerdings regelmäßig nicht unter § 232a Abs. 3 StGB. Das bedeutet, dass sich die irreführenden Machenschaften auf die Tatsache der Prostitutionsausübung an sich beziehen müssen (s. LK/Kudlich, StGB, 12. Aufl., § 232 Rn. 53 mwN), während das lediglich arglistige Schaffen eines Anreizes gegenüber einer Person, die sich frei für oder gegen eine Prostitutionsaufnahme oder -fortsetzung entscheiden kann, nicht ausreicht.

Diese restriktive Auslegung war für den schweren Menschenhandel nach § 181 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der bis zum 18. Februar 2005 gültigen Fassung und den schweren Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung nach § 232 Abs. 4 Nr. 1 StGB in der bis zum 14. Oktober 2016 gültigen Fassung anerkannt (s. zu § 181 StGB aF BGH, Urteile vom 20. Oktober 1976 – 3 StR 266/76, BGHSt 27, 27; vom 3. Juni 1980 – 1 StR 192/80, juris Rn. 4 f.; zu § 232 StGB aF BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 – 2 StR 297/13, NStZ 2014, 453, 454). Hieran ist für das seit dem 15. Oktober 2016 geltende Recht, den – geänderten – schweren Menschenhandel gemäß § 232 Abs. 2 Nr. 1 StGB sowie die – neugeschaffene – schwere Zwangsprostitution gemäß § 232a Abs. 3 StGB, festzuhalten. Aus dem Wortlaut der Strafnormen ergeben sich keine dem entgegenstehende Anhaltspunkte. In den Gesetzesmaterialien zu §§ 232 nF, 232a StGB ist dargelegt, dass „in Bezug auf das Tatmittel der ‚List‘ keine Erweiterung“ vorgesehen ist, die „künftig das Hervorrufen eines bloßen Motivirrtums genügen“ ließe (BT-Drucks. 18/9095 S. 30, 34). Unter Hinweis auf unveröffentlichte Entscheidungen des Landgerichts Berlin ist dort lediglich ergänzend ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal der List auch diejenigen Fälle erfassen soll, in denen „der Täter mit Hilfe der ‚Loverboy‘-Masche“ unter Verdeckung der Absicht, das Opfer in die Prostitution zu bringen, erst „günstigere Voraussetzungen (etwa Lösen aus der familiären Bindung oder Abbruch der Ausbildung) dafür schafft“, die Absicht zu realisieren, bevor er sie zu diesem Zweck offenbart (BT-Drucks. 18/9095 S. 34; vgl. BeckOK StGB/Valerius, 46. Ed., § 232 Rn. 43 f.; offengelassen von BGH, Urteil vom 20. Oktober 1976 – 3 StR 266/76, aaO, S. 28).

Gemessen daran erfüllten weder das Vorspiegeln einer partnerschaftlichen Beziehung durch D.    noch das Vortäuschen von dessen Hilfsbedürftigkeit – Schulden und Krankheit – durch beide Mitangeklagte das Merkmal der List. 

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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