Das Oberlandesgericht Hamm hat in seinem Urteil vom 16. April 2024 (Az. 4 U 151/22) entschieden, dass das systematische Bestellen und Zurücksenden von Produkten sowie die Veröffentlichung negativer Bewertungen zum Zweck der Schädigung eines Mitbewerbers eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung gemäß § 826 BGB darstellt. Diese Entscheidung beleuchtet die Grenzen des Wettbewerbsrechts und die Anwendung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen in Verbindung mit unlauteren Geschäftspraktiken.
Sachverhalt
Die Klägerin und die Beklagte sind Wettbewerber im Internetversandhandel für Matratzen. Zwei ehemalige Mitarbeiter der Beklagten, I. und Y., bestellten mehrfach Matratzen bei der Klägerin über verschiedene Handelsplattformen und stellten anschließend Rücksendeanträge oder veröffentlichten negative Bewertungen. Die Rücksendeanträge und negativen Bewertungen wurden dabei offensichtlich unbegründet und schädigend formuliert.
Beispiele für die von I. und Y. getätigten Bestellungen und Bewertungen umfassen:
- Bestellung und Rücksendeantrag mit dem Grund „Versandverpackung und Artikel beschädigt“.
- Negative Bewertung mit dem Kommentar „Starker Chemie Geruch der Matratze“.
- Rücksendeantrag mit dem Grund „Artikel entspricht nicht den Erwartungen. Kunde hat einen Ausschlag von dem Artikel erhalten“.
Rechtliche Analyse
Sittenwidrige vorsätzliche Schädigung (§ 826 BGB)
Das Gericht stellte fest, dass das Verhalten der Beklagten eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung darstellt. Dies liegt darin begründet, dass die Handlungen der ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten darauf abzielten, die Klägerin systematisch zu schädigen, indem sie deren Ansehen bei Kunden und Plattformbetreibern durch negative Bewertungen und sinnlose Retouren herabsetzten. Das Verhalten erfüllte damit den Tatbestand der sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung, da es über normale Wettbewerbshandlungen hinausging und allein der Schädigung der Klägerin diente.
Unlautere geschäftliche Handlung (UWG)
Neben der sittenwidrigen Schädigung wurden die Handlungen der Beklagten auch als unlautere geschäftliche Handlungen gemäß UWG angesehen. Das Gericht stellte jedoch klar, dass in Fällen, in denen ein Verhalten sowohl sittenwidrig als auch unlauter ist, die Verjährungsfristen des BGB (drei Jahre) und nicht die kürzeren Verjährungsfristen des UWG gelten.
Zurechnung des Verhaltens der Mitarbeiter
Das Gericht betonte, dass die Beklagte für das Verhalten ihrer ehemaligen Mitarbeiter haftet, da sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Die Beklagte konnte nicht substantiiert darlegen, dass sie keine Kenntnis von den Handlungen ihrer Mitarbeiter hatte oder dass sie Maßnahmen ergriffen hatte, um solche Handlungen zu verhindern.
Verjährung
Die Beklagte erhob die Einrede der Verjährung, da die Klägerin ihre Ansprüche erst nach Ablauf der lauterkeitsrechtlichen Verjährungsfristen geltend gemacht hatte. Das Gericht wies diese Einrede zurück und bestätigte, dass die dreijährige Verjährungsfrist des BGB anwendbar ist, da der Anspruch auf § 826 BGB gestützt ist.
Entscheidung des Gerichts
Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte das Urteil des Landgerichts Paderborn, das der Klage größtenteils stattgegeben hatte. Die Beklagte wurde zur Unterlassung der schädigenden Handlungen, zur Zahlung von Schadensersatz und zur Erstattung von Abmahnkosten verurteilt. Die Berufungen beider Parteien wurden zurückgewiesen.
Fazit
Diese Entscheidung verdeutlicht, dass unlautere Geschäftspraktiken, die auf die systematische Schädigung eines Mitbewerbers abzielen, nicht nur wettbewerbsrechtliche, sondern auch deliktsrechtliche Konsequenzen haben können. Unternehmen sollten daher sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter keine Handlungen vornehmen, die als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung ausgelegt werden könnten, da sie ansonsten erheblichen rechtlichen und finanziellen Konsequenzen ausgesetzt sein können.
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