Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Juni 2024 (2 U 37/24) wirft ein Licht auf die Bedeutung und Bemessung von Vertragsstrafen in Wettbewerbsstreitigkeiten. Im Zentrum des Falls stand ein Verstoß gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zwischen zwei Dentalhandelsgesellschaften, die zu erheblichen Streitigkeiten über die Höhe der Vertragsstrafe führte.
Sachverhalt
Die Parteien sind Wettbewerber im Bereich des Handels mit Zahnersatz. Die Klägerin hatte die Beklagte abgemahnt und diese dazu veranlasst, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Trotz dieser Erklärung versandte die Beklagte weiterhin Werbematerialien (Patienten- und Arztbroschüren) mit unzulässigen Aussagen und ließ entsprechende Inhalte online abrufbar. Die Klägerin forderte daraufhin eine Vertragsstrafe in Höhe von 1.278.500 €.
Die Beklagte bestritt die Angemessenheit dieser Forderung und argumentierte, dass mehrere Verstöße als eine rechtliche Einheit zu bewerten seien. Zudem habe sie sich im Hinblick auf die Reichweite der Unterlassungserklärung geirrt. Das OLG setzte schließlich die Vertragsstrafe neu fest.
Rechtliche Würdigung
1. Rechtsgrundlage und Verwirkung der Vertragsstrafe
Nach § 339 BGB tritt die Verwirkung einer Vertragsstrafe automatisch mit einer schuldhaften Zuwiderhandlung gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ein. Das Gericht stellte fest, dass die Beklagte mehrfach gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen hatte, darunter durch den Versand von Broschüren und die Online-Verfügbarkeit von Werbeinhalten.
2. Angemessenheit der Vertragsstrafe
Die Höhe der Vertragsstrafe bemisst sich nach den Grundsätzen des billigen Ermessens (§ 315 BGB). Die Bemessung berücksichtigt:
- Schwere des Verstoßes und dessen Ausmaß: Die Verstöße betrafen mehrere tausend Broschüren, aber der tatsächliche wirtschaftliche Schaden für die Klägerin wurde als gering bewertet.
- Unternehmensgröße und Marktstellung: Die Beklagte erzielte einen Jahresgewinn von 15 Millionen € und hatte eine führende Marktstellung.
- Wettbewerbsverhältnis: Als direkte Konkurrenten war die potenzielle Schädigung der Klägerin durch die Verstöße bedeutsam.
- Verschulden: Das Gericht ging von fahrlässigem Handeln der Beklagten aus, da ein Irrtum über die Reichweite der Unterlassungserklärung vorlag.
3. Differenzierte Bewertung der Verstöße
Das OLG bewertete die Verstöße nicht pauschal, sondern einzeln:
- Patientenbroschüren: Der Versand von 9.930 Broschüren wurde als eine rechtliche Einheit gewertet, die mit 85.000 € sanktioniert wurde.
- Arztbroschüren: Der Versand von 115 Broschüren wurde als eigenständiger Verstoß mit einer Vertragsstrafe von 5.000 € geahndet.
Konsequenzen für die Praxis
Für Unternehmen im Management ergeben sich aus dieser Entscheidung folgende Handlungsempfehlungen:
- Klare Definition von Unterlassungsverpflichtungen: Eine präzise Formulierung der Unterlassungserklärung kann Missverständnisse und Streitigkeiten verhindern.
- Sorgfalt bei der Umsetzung: Unternehmen sollten sicherstellen, dass alle relevanten Inhalte entfernt und Kommunikationsprozesse entsprechend angepasst werden.
- Vermeidungsstrategien: Ein effektives Compliance-Management kann potenzielle Vertragsstrafen minimieren.
Das hier ist wirklich der Klassiker: Im Wettbewerbsrecht diskutieren Unternehmer immer über die anwaltlichen Gebühren – es geht ja nur um eine kleine Unterlassungserklärung. Was hier für Risiken im Hintergrund stehen, muss teilweise mit einer Engelsgeduld erläutert werden …
Fazit
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt, dass Vertragsstrafen zwar ein wirksames Instrument zur Durchsetzung von Unterlassungsverpflichtungen sind, ihre Bemessung jedoch stets verhältnismäßig und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erfolgen muss. Für das Management bietet das Urteil wertvolle Einsichten in die Bedeutung präziser vertraglicher Vereinbarungen und einer sorgfältigen Einhaltung rechtlicher Verpflichtungen.
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