Das Oberlandesgericht Düsseldorf (20 UKl 6/23, Urteil vom 23. Mai 2024) hatte über einen kuriosen Fall zu entscheiden: Der Betreiber einer Kampfsportschule nutzte auf seiner Website den Hinweis, dass seine Dienstleistungen angeblich unter der Gerichtsbarkeit des fiktiven „Königreich Deutschland“ stünden. Zusätzlich war im Impressum das „Königreich Deutschland“ als Aufsichtsbehörde angegeben:
Wir weisen darauf hin, daß Sie für die Dauer der Interaktion/Geschäftsbeziehung (Anbahnung, Abschluß, Dienstleistung, Training, Coaching, Lieferung Rechnungslegung,
Bezahlung) inkl. einer evt. Gewährleistungszeit, eine temporäre Zugehörigkeit zum Königreich Deutschland (KRD) besitzen. Sie nutzen damit die Verfassung, die Gesetze und die Gerichtsbarkeit des KRD, die Sie bei rechtlichen Streitigkeiten erstrangig zu wählen haben. Es entstehen keine weiteren Rechte, Pflichten oder Kosten.
Ein Verbraucherschutzverband beanstandete diese Angaben als irreführend und klagte erfolgreich auf Unterlassung.
Rechtliche Bewertung
1. Verstoß gegen das Telemediengesetz (TMG)
Nach § 5 TMG (heute läuft das nach dem DDG) mussten im Impressum Angaben gemacht werden, die es Verbrauchern ermöglichen, den Anbieter zu identifizieren und ihn rechtlich zuzuordnen. Die Angabe „Aufsichtsbehörde: Königreich Deutschland“ ist aus zweierlei Gründen unzulässig:
- Fiktivität der Aufsichtsbehörde: Das „Königreich Deutschland“ ist kein real existierender Staat, sondern ein Pseudostaat. Eine rechtliche Anerkennung, insbesondere als Aufsichtsbehörde, existiert nicht.
- Irreführung der Verbraucher: Verbraucher könnten annehmen, dass es sich bei dieser Behörde um eine legitime Institution handelt, was den gesetzlichen Anforderungen widerspricht.
2. Unwirksame Allgemeine Geschäftsbedingungen
Der Hinweis, dass Kunden für die Dauer der Geschäftsbeziehung der „Gerichtsbarkeit des Königreichs Deutschland“ unterstünden, wurde als unwirksame Vertragsklausel bewertet:
- Verstoß gegen zwingendes Recht: Verbraucher haben gemäß § 13 ZPO das Recht, deutsche Gerichte anzurufen. Dieses Recht kann nicht durch Vertragsbedingungen eingeschränkt werden.
- Fehlende Legitimität der „Gerichtsbarkeit“: Selbst wenn das „Königreich Deutschland“ eine Art Vereinsgericht darstellen wollte, fehlen jegliche rechtliche Grundlagen, die dies rechtfertigen könnten.
Man kann sich mit solcher Spinnerei dann auch tatsächlich ganz nüchtern auseinandersetzen, was durchaus Werbung für unser Rechtssystem sein sollte:
Was die Inanspruchnahme der Gerichte des Königreichs Deutschland betrifft, so kann dem in Deutschland wohnhaften Verbraucher die Inanspruchnahme deutscher Gerichte nicht
genommen werden. Das ergibt sich im Verhältnis zu ausländischen Unternehmen aus Art. 18 Abs. 1 EuGVVO (s. Art. 6 Abs. 1 EuGVVO) und versteht sich im Inland von selbst. Für die
Existenz eines Vereins (mit Mitgliedern und einer Mitgliederversammlung, die eine Satzung
aufgestellt hat) ist aus den vorgelegten Unterlagen nichts ersichtlich, geschweige denn für die Existenz einer – in einer von einer Mitgliederversammlung aufgestellten Satzung vorgesehenen – Vereinsgerichtsbarkeit (…), ganz
abgesehen davon, dass unklar ist, ob die Nutzer „Vereinsmitglieder“ werden sollen. Vorgelegt sind nur Erklärungen des „Königs“. Schiedsvereinbarungen mit Verbrauchern bedürfen der in § 1031 Abs. 5 ZPO vorgesehenen besonderen Form, für deren Einhaltung nichts ersichtlich ist; im Übrigen ist für die Existenz eines Schiedsgerichts nichts ersichtlich.Was die Vereinbarung des Rechts des Königreichs Deutschland betrifft, so kann ein in Deutschland ansässiger Verbraucher den zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts nicht entzogen werden. Dies würde nach Art. 6 Abs. 2 S. 2 Rom-I VO auch bei Vereinbarung ausländischen Rechts gelten, und zwar unabhängig davon, ob es sich dabei um das Recht eines Mitgliedstaates oder Nichtmitgliedstaates handelt.
3. Wettbewerbsrechtliche Dimension
Die Angaben wurden zudem als wettbewerbswidrig eingestuft, da sie geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit von Verbrauchern zu beeinflussen (§ 5a UWG). Verbraucher könnten durch die vermeintlich exotische Gerichtsbarkeit abgeschreckt oder irregeführt werden.
Fazit
Dieses Urteil zeigt: Fantasie und Realität dürfen im geschäftlichen Kontext nicht vermischt werden. Der Fall unterstreicht, dass auch vermeintlich harmlose Angaben in der Werbung rechtliche Konsequenzen haben können. Unternehmen sollten ihre Kommunikations- und Rechtsstrategien stets sorgfältig prüfen lassen – nicht nur, um Kuriositäten zu vermeiden, sondern auch, um teure Abmahnungen und Klagen zu verhindern.
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