KG Berlin zum Pornographiebegriff: Erigierter Penis alleine noch keine Pornographie

Im Rahmen des Versands von Nackt-Kalendern, die nackte Männer darstellten, hatte sich das KG Berlin (AZ: (4) 1 Ss 312/07 (192/07)) mit der Frage zu beschäftigen, wie genau der Pornographiebegriff im Strafgesetzbuch auszufüllen ist. Dabei findet das KG ebenso deutliche wie ausführliche Worte:

Es kann dahinstehen, ob die zur Bebilderung eines Kalenders verwendeten Fotos überhaupt auf eine sexuelle Stimulation des Betrachters abzielen. Denn die Darstellungen sind insgesamt nicht von einer Verabsolutierung sexuellen Lustgewinns unter Außerachtlassung sämtlicher individueller und emotionaler Bezüge gekennzeichnet. Die abgebildeten Personen sind vielmehr unter Berücksichtigung ihrer Individualität abgelichtet worden. Es ist offensichtlich Wert darauf gelegt worden, Männer unterschiedlicher Nationalität zu präsentieren. Unterschiede hinsichtlich Hautfarbe, aber auch Haarschnitt und Bartwuchs sind deutlich erkennbar dargestellt. Gleiches gilt für die Tätowierungen einiger Männer. Das Bemühen der Hersteller des Kalenders, unterschiedlichste Männertypen zu versammeln, um dadurch den Kalender abwechslungsreich zu gestalten und möglichst viele Käufer anzusprechen, ist unverkennbar. Da die Kalender ausschließlich aus Ganzkörperfotos bestehen und auch nur ein Mann pro Bild zu sehen ist, treten diese individuellen Merkmale auch nicht hinter anderen Aspekten wie der Nacktheit oder der Tatsache, dass die Männer einen erigierten Penis haben, zurück. Ihnen kommt aufgrund der Gesamtgestaltung des einzelnen Fotos aber auch des gesamten Kalenders eigenständige Bedeutung zu. Daraus folgt zugleich, dass die abgebildeten Männer nicht zu auswechselbaren Objekten degradiert werden. Eine solche Herabwürdigung wird von den Bildern auch deshalb nicht vermittelt, weil die abgebildeten Personen – wie das Amtsgericht zutreffend ausführt – einen ausgesprochen selbstbewussten Eindruck machen. Sie präsentieren ihren gesamten Körper mit Stolz. Eine „Entmenschlichung“ von Sexualität im oben beschriebenen Sinne liegt daher nicht vor.

Darüber hinaus ist auch das Kriterium einer aufdringlichen, vergröbernden oder „anreißerischen“ Darstellung zu verneinen. Dies ergibt sich insbesondere aus der Tatsache, dass dem jeweils abgebildeten erigierten Penis zumindest optisch keine hervorgehobene Bedeutung zukommt. Da es sich um Ganzkörperfotos und nicht lediglich um Bildausschnitte handelt, wird der Blick des Betrachters nicht gezielt dorthin gelenkt. Dies wird dadurch verstärkt, dass der erigierte Penis jeweils nur im unteren Drittel des Bildes zu sehen ist. Er ist bei keinem der Fotos in der Bildmitte platziert. Eine aufdringliche Hervorhebung wird auch nicht durch entsprechende Gesten oder Stellungen erzeugt. Die abgebildeten Personen nehmen überwiegend recht natürliche Haltungen ein, die vor allem den muskulösen Oberkörper betonen. Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin ergibt sich ein pornographischer Charakter der Kalender auch nicht aus der ständigen Wiederholung des Motivs des erigierten Penisses. Die Wiederholung nicht pornographischer Inhalte vermag diese grundsätzlich nicht pornographisch zu machen. Anders kann dies allenfalls bei einer fortschreitenden Eskalation der Darstellung durch eine Aneinanderreihung von Szenen mit sexuell immer stärker provozierenden Reizen zu beurteilen sein (vgl. S/S/Lenckner/Perron/Eisele a.a.O., § 184 Rdn. 5). Hier bleiben die Bilder von Monat zu Monat jedoch inhaltlich nahezu unverändert, so dass eher ein Gewöhnungseffekt als eine Spannungssteigerung eintritt. Überdies weist die formale Gestaltung der Bilder einen – wenn auch geringen – ästhetischen Wert auf. Dies ist nicht zuletzt auf die unterschiedlichen Hintergrundmotive zurückzuführen, die entweder der Natur oder einer Wohnumgebung entnommen sind. Der Hintergrund ist jeweils deutlich erkennbar und trägt wesentlich zur positiven Grundstimmung der Bilder bei. Eine übersteigerte, von den äußeren Lebensumständen völlig losgelöste Darstellung ist deshalb auch unter diesem Aspekt zu verneinen.

Man Beachte den Anspruch der Richter im letzten Abschnitt an pornographische Werke: „Hier bleiben die Bilder von Monat zu Monat jedoch inhaltlich nahezu unverändert, so dass eher ein Gewöhnungseffekt als eine Spannungssteigerung eintritt. „.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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