Entscheidende Fragen der Bilanzierung und Aktivierung bei Software

Die rechtliche und steuerliche Behandlung von Software und den damit verbundenen Implementierungs- und Einführungskosten ist ein zentraler Punkt des Unternehmensrechts. Das Urteil des Finanzgerichts München vom 4. Februar 2021 (Az. 10 K 3084/19) bietet dazu wichtige Einblicke. Es thematisiert die Frage, wie Aufwendungen für die Einführung und Implementierung von Software bilanziell und steuerlich zu behandeln sind. Dabei werden grundlegende Begriffe wie Anschaffungskosten, Nutzungsrechte und immaterielle Wirtschaftsgüter erörtert.

Hintergrund der Entscheidung

Im Mittelpunkt des Falls steht die Einführung eines individualisierten SAP-Systems in einem Unternehmen. Die Klägerin hatte dafür eine externe Dienstleisterin beauftragt, die das bestehende System an die Bedürfnisse der Klägerin anpasste. Streitpunkt war, ob die damit verbundenen Kosten als sofort abziehbarer Aufwand oder als Anschaffungskosten, verteilt über die Nutzungsdauer, zu behandeln sind.

Relevante juristische und bilanzielle Fragestellungen

1. Software als immaterielles Wirtschaftsgut

Das Gericht stellt klar, dass Software als immaterielles Wirtschaftsgut zu betrachten ist. Die Nutzung der individualisierten Systemlandschaft wurde als ein wirtschaftlich nutzbares Gut anerkannt, das bilanzierungsfähig ist. Diese Einordnung beruht auf der Möglichkeit, aus der Nutzung einen konkreten Vorteil für den Betrieb zu ziehen, der bewertbar und übertragbar ist.

2. Aktivierung von Anschaffungskosten

Ein zentraler Punkt war, ob die Implementierungskosten als Anschaffungskosten aktiviert werden können. Nach handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen (§ 255 HGB, § 5 Abs. 1 EStG) sind Aufwendungen, die zur Herstellung der Betriebsbereitschaft eines Wirtschaftsguts geleistet werden, grundsätzlich den Anschaffungskosten zuzurechnen. Diese Anschaffungskosten beeinflussen den Gewinn nur über die Abschreibung, verteilt auf die Nutzungsdauer.

Das Gericht betonte jedoch, dass ein Bilanzierungsverbot für schwebende Geschäfte besteht. Da die Klägerin die Systemlandschaft lediglich im Rahmen eines Lizenzvertrags nutzte, ohne das System rechtlich oder wirtschaftlich zu erwerben, konnten die Implementierungskosten nicht aktiviert werden.

3. Implementierungskosten als Betriebsbereitschaftskosten

Die Frage, ob Implementierungskosten als eigenständiges Wirtschaftsgut zu bewerten sind, wurde vom Gericht verneint. Diese Kosten wurden als notwendige Nebenkosten des Nutzungsrechts an der Software gewertet, die keinen eigenständigen Wert ohne das Nutzungsrecht entfalten. Das bedeutet, dass die Implementierungskosten im bilanzrechtlichen Kontext nicht unabhängig vom Hauptgut – hier dem Nutzungsrecht – behandelt werden können.

4. Abgrenzung von Dienst- und

Die vertragliche Grundlage für die Systemanpassung spielte eine entscheidende Rolle. Während das Finanzamt von einem Werkvertrag ausging, der die Lieferung eines fertigen Produkts implizierte, argumentierte die Klägerin, es handle sich um Dienstleistungen. Das Gericht stellte fest, dass die vertraglichen Elemente sowohl dienst- als auch werkvertragliche Komponenten enthielten, wobei der Schwerpunkt auf der Erbringung von Nutzungsrechten und Dienstleistungen lag.

Implikationen für die Praxis

Dieses Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Unternehmen, die Software implementieren oder lizenzieren:

  1. Bilanzierung von Softwareprojekten: Unternehmen müssen sorgfältig prüfen, ob Implementierungskosten als Anschaffungskosten zu aktivieren sind oder ob sie als sofort abziehbare Betriebsausgaben behandelt werden können.
  2. Vertragsgestaltung: Die Art der vertraglichen Vereinbarung beeinflusst maßgeblich die bilanzielle Behandlung. Unternehmen sollten darauf achten, klare Regelungen zur Art der Leistung (Dienst- oder Werkvertrag) zu treffen.
  3. Steuerrechtliche Planung: Die Frage der Bilanzierung kann erhebliche Auswirkungen auf die Steuerlast eines Unternehmens haben. Die korrekte Abgrenzung von Betriebsausgaben und Anschaffungskosten ist dabei essenziell.

Fazit

Die Entscheidung des Finanzgerichts München illustriert die Komplexität der – und steuerrechtlichen Behandlung von Software und den damit verbundenen Kosten. Sie zeigt, dass die Zuordnung von Aufwendungen als Anschaffungs- oder Betriebsbereitschaftskosten eine präzise Analyse der vertraglichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten erfordert. Unternehmen sind gut beraten, ihre Softwareprojekte nicht nur aus technischer, sondern auch aus rechtlicher und steuerlicher Perspektive sorgfältig zu planen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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