Durchsuchung bei einem Notar

Die bei einem unverdächtigen Notar wirft eine Vielzahl rechtlicher Fragen auf, die nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Mandanten und Berufsgeheimnisträger betreffen, sondern auch die Grenzen des Beschlagnahmeverbots nach § 97 sowie die verfahrensrechtliche Stellung juristischer Personen im Strafverfahren. Der Beschluss des LG Nürnberg-Fürth vom 22.11.2024 bietet einen Anlass, diese Aspekte etwas eingehender zu beleuchten.

Der Schutz des Berufsgeheimnisträgers und das Beschlagnahmeverbot

Berufsgeheimnisträger wie Notare genießen gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 1–3 StPO ein besonderes Beschlagnahmeverbot. Dieses dient dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Mandanten und dem Berufsgeheimnisträger. Im vorliegenden Fall stellt sich jedoch die Frage, wie dieses Verbot zu werten ist, wenn der Notar eine juristische Person vertritt und nicht deren organschaftliche Vertreter, die als Beschuldigte gelten.

Der Gesetzgeber hat das Beschlagnahmeverbot auf solche Fälle beschränkt, in denen ein persönliches Vertrauensverhältnis zwischen dem Berufsgeheimnisträger und dem Beschuldigten besteht. Wird jedoch eine juristische Person beraten, entfällt dieser Schutz. Diese Einschränkung wird mit dem öffentlichen Interesse an effektiver Strafverfolgung gerechtfertigt. In der Praxis bedeutet dies, dass Beweismittel, die sich auf die juristische Person beziehen, nicht dem Schutz des § 97 StPO unterliegen, selbst wenn sie über den Berufsgeheimnisträger verfügbar gemacht werden.

Beschuldigtenähnliche Verfahrensstellung juristischer Personen

Eine juristische Person kann sich in einer beschuldigtenähnlichen Verfahrensstellung befinden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Adressatin einer Geldbuße nach § 30 OWiG oder einer Einziehungsanordnung gemäß § 424 StPO sein könnte. In diesen Fällen wird der juristischen Person eine Stellung eingeräumt, die der eines Beschuldigten im Sinne der StPO ähnelt. Dies hat Auswirkungen auf den Schutz von Verteidigungsunterlagen. So unterliegen diese nach § 148 Abs. 1 StPO einem Beschlagnahmeverbot, sofern sie zur Verteidigung der juristischen Person angefertigt wurden.

Durchsuchungen bei unverdächtigen Notaren

Besonders heikel ist die Frage, ob und unter welchen Bedingungen eine Durchsuchung bei einem unverdächtigen Notar zulässig ist. Nach § 103 StPO dürfen solche Maßnahmen nur durchgeführt werden, wenn konkrete Tatsachen darauf hinweisen, dass sich die gesuchten Beweismittel in den Räumlichkeiten des Notars befinden. Eine „Ausforschungsdurchsuchung“, die der allgemeinen Beweissicherung dient, ist unzulässig. Dennoch hat das Gericht im vorliegenden Fall die Maßnahme als verhältnismäßig angesehen, da die Durchsuchung auf konkrete Verdachtsmomente gestützt wurde, die durch die im Notariat verwahrten Unterlagen bestätigt werden könnten.

Kollision von Verschwiegenheitspflicht und Offenbarungspflicht

Die notarielle Verschwiegenheitspflicht gemäß § 18 BNotO wird häufig als absolutes Hindernis für die Herausgabe von Informationen oder Unterlagen angesehen. Jedoch sieht § 97 Abs. 2 StPO Ausnahmen vor, insbesondere wenn die Unterlagen aus einer Straftat hervorgegangen sind oder zu ihrer Begehung verwendet wurden. Im vorliegenden Fall wurden Kopien gefälschter Ausweisdokumente und andere Unterlagen beschlagnahmt, die nach Ansicht des Gerichts nicht dem Beschlagnahmeverbot unterlagen.

Fazit

Der Fall verdeutlicht die Spannungsfelder zwischen den Rechten des Berufsgeheimnisträgers, dem Schutz des Mandantenverhältnisses und den Erfordernissen der Strafverfolgung. Die Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth legt dar, dass das Beschlagnahmeverbot in der Praxis nicht grenzenlos ist und sich an der spezifischen Beziehung zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandant orientiert. Gleichzeitig zeigt sie, wie juristische Personen zunehmend in den Fokus strafrechtlicher Ermittlungen geraten und in eine beschuldigtenähnliche Verfahrensstellung gedrängt werden können. Solche Entscheidungen sind daher nicht nur für Juristen, sondern auch für betroffene Berufsgruppen von erheblichem Interesse.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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