Einziehung: BGH sieht ausnahmsweise Subsidiarität der Einziehung

Mir ist eine BGH-Entscheidung (BGH, 5 StR 518/19) aufgefallen, die sich mit der im Strafverfahren beschäftigt (was sich zunehmend zu einem Steckenpferd meinerseits entwickelt) – und die einen in dieser Stringenz bisher neuen Rechtssatz formuliert: Dass ausnahmsweise, und gemeint ist wirklich ganz ausnahmsweise, die eigentlich zwingend vorgesehene strafrechtliche Einziehung subsidiär sein kann und zurücktritt hinter andere Regularien. Insbesondere im Hinblick auf Steuerstrafsachen bieten sich Diskussionen an.

Der Sachverhalt: Sohn tötet Mutter

Der Sachverhalt bot sich auch durchaus an, damit der BGH eine Klarstellung trifft: Es ging um einen Sohn, der seine Mutter getötet hat, wobei die Staatsanwaltschaft nun die Einziehung des Erbes wünschte als „das aus der Tat erlangte“. Der BGH aber sah dies anders, weil die erbrechtlichen Vorschriften dies abschliessend Regeln:

(…) die Rechtslage betreffend die Erbschaft im Falle einer Tö- tung des Erblassers durch dessen Erben vorrangig und abschließend in § 2339 Abs. 1 Nr. 1, §§ 2340 ff. BGB geregelt ist. Wesentliches Kennzeichen dieser Vorschriften ist es, dass die Folgen der Erbunwürdigkeit nicht unmittelbar kraft Gesetzes eintreten.

Vielmehr ist es den Anfechtungsberechtigten überlassen, im Wege einer Gestaltungsklage (§ 2342 BGB) über die Rechte am Nachlass zu bestimmen. Entscheiden sich die Berechtigten gegen die Geltendmachung der Erbunwürdigkeit, widerspricht der Verbleib des Nachlasses beim Täter mithin nicht den Wertungen der Rechtsordnung. Verursacht der Erbe den Tod des Erblassers lediglich fahrlässig, be- trachtet das Gesetz ihn von vornherein nicht als erbunwürdig. Diese gesetzliche Wertung würde durch die Anwendung des § 73 StGB unterlaufen, da die Einziehung des Nachlasses auch in diesem Fall zwingend anzuordnen wäre (…)

zumal auch in rechts- systematischer Hinsicht Bedenken gegen die Einziehung eines Nachlasses be- stehen, weil der Staat sich auf diesem Wege solcher Vermögensgegenstände bemächtigen würde, die den Nachlassgläubigern zur Befriedigung ihrer Ansprüche zugewiesen sind

Der BGH analysiert sehr ausführlich, warum es insgesamt auch weniger Gerecht wäre, hier den Weg über die Einziehung zu gehen – in der Tat drängen sich die Gedanken auch auf. Doch damit all dies verfängt, muss ein Weg aus der Einziehung gefunden werden, den das Gesetz ja eigentlich und sogar gewollt so gar nicht vorsieht.

Subsidiarität der Einziehung

Der Begriff „Subsidiarität“ ist etwas hart gefasst, weil es ja gerade nur um ein Zurücktreten in besonderen Einzelfällen geht.Ein solcher Einzelfall lag offenkundig in Form der hiesigen Erbstreitigkeit vor, gleichwohl formuliert der BGH einen allgemeinen Rechtssatz, der nun zu Berücksichtigen ist.

Soll die durch die rechtswidrige Tat entstandene Störung der Vermögenslage (…) erkennbar mit anderen Mitteln als der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt oder gar hingenommen werden, hat die Einziehung (…) ausnahmsweise zu unterbleiben, sofern diese rechtliche Wertung dadurch unterlaufen würde.

BGH, 5 StR 518/19

So führt der BGH dann nämlich aus, dass zwar grundsätzlich abzuschöpfen ist, was rechtswidrig an Vorteil erlangt wurde. Aber: Es gibt Ausnahmesituationen, in denen die strafrechtliche Einziehung zurück zu treten hat – wenn nämlich eine abschliessende andere Regelung besteht:

Der Abschöpfung deliktisch erlangten Vermögens liegt der sämtliche Rechtsgebiete übergreifende Gedanke zugrunde, eine nicht mit der Rechtsordnung übereinstimmende Vermögenslage zu berichtigen (vgl. BT-Drucks 18/9525, S. 58, 66; BVerfGE 110, 1, Rn. 20; BGH, Urteil vom 15. Mai 2018 – 1 StR 651/17, NStZ-RR 2018, 241). Soll die durch die rechtswidrige Tat entstandene Störung der Vermögenslage nach der Rechtsordnung erkennbar mit anderen Mitteln als der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung beseitigt oder gar hingenommen werden, hat die Einziehung nach §§ 73 ff. StGB daher ausnahmsweise zu unterbleiben, sofern diese rechtliche Wertung dadurch unterlaufen würde.

BGH, 5 StR 518/19

Man merkt schon, so einfach wird das nichts mit weiteren Ausnahmefällen: Es muss schon eine klare abschliessende Regelung sein, die eindeutig gegen die Anwendung der Einziehungsregeln spricht. Auf Anhieb fällt mir nicht wirklich ein, wo sich dieses Vorgehen noch zwingend anbieten oder gar aufdrängen sollte. Das Besondere ist an der Stelle für mich erst einmal schon alleine, dass dieser Rechtssatz vom BGH – ohne irgendwelche Verweise – so allgemein formuliert wird.

Auswirkungen auf das Steuerstrafrecht?

Für mich durchaus interessant ist, ob man ausgehend von diesem Rechtssatz Rückschlüsse auf das Steuerstrafrecht ziehen kann. Die Praxis behilft sich hier regelmässig mit einem Absehen der Einziehung nach §421 Abs.1 Nr.3 StPO (siehe dazu auch aktuell Madauß in ZWH 4/2020, Seite 93ff.). Doch wenn man sich auf den Standpunkt stellt, dass die AO ja eben vorsieht, dass die Finanzämter sich die Titel sowohl dem Grunde nach als auch in der entsprechenden Höhe selber schaffen – und selber Herrin des Vollstreckungsverfahrens sind – mag man überlegen, ob sich hier nicht eine etwas elegantere Möglichkeit bietet, das in Steuerstrafsachen ungeliebte EInziehungs-Thema zu beenden. Es sei aber ausdrücklich gesagt, dass ich das an dieser Stelle schlicht als Gedanken einwerfe, ohne es im Detail zu prüfen.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

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