Eine einkommensteuerpflichtige Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG ist anzunehmen, wenn die zivilrechtliche Inhaberschaft (§ 39 Abs. 1 AO) oder zumindest das sog. wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) an den Anteilen auf den Erwerber übergeht. In diesem Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn; auf den Zufluss des Entgelts kommt es nicht an (BFH, VIII R 21/17 und IX R 7/18).
Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer im Regelfall auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (BFH, IV R 226/85). Hiervon ausgehend ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen an Kapitalgesellschaften regelmäßig anzunehmen, wenn der Erwerber aufgrund eines (zivilrechtlichen) Rechtsgeschäfts eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erlangt hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann und die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sind (BFH, I R 22/20, VIII R 21/17, IX R 57/10, VIII R 68/05, VIII R 32/04 und BGH, 1 StR 209/22).
Maßgeblich ist das Gesamtbild der Verhältnisse im Einzelfall. Dabei kann eine von der zivilrechtlichen Inhaberschaft abweichende Zuordnung eines Wirtschaftsguts auch dann anzunehmen sein, wenn die vorgenannten Voraussetzungen nicht vollständig erfüllt sind. Maßgeblich ist nicht das formal Erklärte oder formal rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Erreichte (BFH, IX R 57/10, VIII R 68/05 und VIII R 32/04). So kann selbst dann, wenn das Kausalgeschäft – etwa weil die Formvorschriften des § 15 Abs. 4 GmbHG (vgl. § 125 BGB) nicht eingehalten wurden – formunwirksam ist, wirtschaftliches Eigentum an Geschäftsanteilen erworben werden, wenn einander nicht nahestehende Vertragspartner die in dem formunwirksamen schuldrechtlichen Vertrag getroffenen Vereinbarungen tatsächlich durchführen (BGH, 1 StR 209/22 sowie BFH, IX R 18/21 Rn. 27, IX R 69/10, IX R 61/05 und VIII R 26/01).
Kaufoptionen sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesgerichtshofs nur dann geeignet, wirtschaftliches Eigentum zu begründen, wenn nach dem typischen, für die wirtschaftliche Beurteilung maßgeblichen Geschehensablauf mit der Ausübung des Optionsrechts tatsächlich zu rechnen ist; von einer solchen hinreichenden „Verdichtung“ ist bei einer Kombination von Kauf- und Andienungsrecht (sog. Doppeloption) auszugehen (BFH, VIII R 68/05, VIII R 32/04 und VIII R 28/02 sowie BGH, 1 StR 209/22).
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