Wenn der Geschäftsführer gegen die Gesellschafter handelt: Mit Urteil vom 26. März 2025 (Az. VIII ZR 152/23) hat der Bundesgerichtshof ein vielschichtiges Urteil zur Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB gefällt, das die dogmatischen Grenzen zwischen kollusivem Zusammenwirken und bloßem Missbrauch von Vertretungsmacht neu ausleuchtet. Im Zentrum stand die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Mietvertrag sittenwidrig und damit nichtig ist, wenn ein Geschäftsführer einer GmbH gemeinsam mit einem begünstigten Vertragspartner Bedingungen vereinbart, die objektiv zum Nachteil der Gesellschaft gereichen.
Das Urteil verdeutlicht, dass weder die bloße Unkenntnis der Gesellschafter noch die Günstigkeit der Vertragsbedingungen ausreichen, um automatisch auf eine kollusive Konstellation zu schließen – es bedarf substantiierter Feststellungen zur subjektiven Komponente beider Seiten.
Der Hintergrund des Streits
Ein Geschäftsführer hatte im Namen der Klägerin – einer GmbH – einen Wohnraummietvertrag mit ungewöhnlich günstigen Konditionen abgeschlossen. Die Miete lag rund 60 % unter der ortsüblichen Vergleichsmiete. Im Gegenzug war die Mieterin verpflichtet, Renovierungsarbeiten durchzuführen, deren konkreter Umfang allerdings im Vertrag nicht hinreichend definiert war. Jahre später, nach Ablösung des Geschäftsführers, verlangte die Gesellschaft die Räumung der Wohnung unter Berufung auf kollusives Verhalten ihres ehemaligen Vertreters mit dem Mieter. Das Landgericht Berlin hatte hierin ein sittenwidriges Geschäft erkannt, doch der BGH hob das Urteil auf und verwies den Fall zurück.
Die rechtliche Einordnung durch den BGH
Der Bundesgerichtshof unterscheidet mit analytischer Präzision zwischen verschiedenen Fallgruppen sittenwidriger Vertragsgestaltung. Ein kollusives Zusammenwirken im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB setzt ein bewusstes und abgestimmtes Zusammenwirken zwischen Vertreter und Geschäftspartner voraus, das sich gezielt gegen den Vertretenen richtet. Es reicht nicht aus, dass der Geschäftspartner Kenntnis von einem bloßen Missbrauch der Vertretungsmacht hat – erforderlich ist vielmehr ein „vorsätzliches Zusammenwirken“.
Im vorliegenden Fall mangelte es an ausreichenden Feststellungen zur Kenntnis oder gar Billigung der Mieterin bezüglich eines solchen gezielten Zusammenwirkens. Auch die Annahme, dass der Lebensgefährte der Mieterin über bestimmte Umstände informiert war, konnte ihr nicht ohne Weiteres zugerechnet werden. Der BGH weist ausdrücklich darauf hin, dass § 166 BGB zur Wissenszurechnung nur dann Anwendung findet, wenn eine entsprechende rechtsgeschäftliche Stellvertretung vorliegt oder der Dritte in verantwortlicher Weise zur Erledigung konkreter Aufgaben herangezogen wurde – beides war hier nicht feststellbar.
Ebenfalls kritisiert der Senat die Verkürzung des § 242 BGB auf eine bloße objektive Evidenz: Eine unzulässige Rechtsausübung durch die Vertragspartnerin der Gesellschaft könne nur dann angenommen werden, wenn sie mit massiven Verdachtsmomenten konfrontiert war, die zwingend eine Nachfrage beim Vertretenen erforderlich gemacht hätten. Eine solche Konstellation sei jedoch nicht erkennbar gewesen. Das vereinbarte Mietverhältnis mag ungewöhnlich günstig gewesen sein, doch angesichts der vorgesehenen Renovierungsleistungen und der konkreten Wohnsituation war keine Evidenz für einen Missbrauch zwingend anzunehmen.
Bedeutung für die Praxis
Die Entscheidung des BGH hat weitreichende Implikationen für das Gesellschafts- und Mietrecht. Sie stärkt einerseits die rechtliche Sicherheit für Vertragspartner im Umgang mit vertretungsberechtigten Geschäftsführern – insbesondere bei langfristigen Mietverträgen. Andererseits fordert sie von den Gesellschaftern einer GmbH ein aktives Risikomanagement bei der internen Kontrolle geschäftsführender Organe. Die Schwelle für das Eingreifen des § 138 BGB bleibt hoch – zu Recht, denn eine zu großzügige Annahme der Sittenwidrigkeit birgt die Gefahr der Rechtsunsicherheit im Wirtschaftsverkehr.
Darüber hinaus stellt die Entscheidung klar, dass sich ein Gesellschafter nicht ohne Weiteres auf einen Vertragsverstoß stützen kann, nur weil dieser gegen seine wirtschaftlichen Interessen geht. Maßgeblich ist nicht die nachträgliche Bewertung des Ergebnisses, sondern die Feststellung eines bewussten, rechtsmissbräuchlichen Zusammenwirkens im Moment des Vertragsschlusses.
Fazit
Die Kernaussage dieser Entscheidung liegt in der differenzierten Abgrenzung zwischen rechtlich angreifbaren und wirtschaftlich nur unvorteilhaften Geschäften. Der BGH schützt das Prinzip der Vertrauenssicherheit im Rechtsverkehr und warnt zugleich vor einer inflationären Anwendung des Sittenwidrigkeitsbegriffs bei internen Unstimmigkeiten innerhalb einer GmbH. Ein Vertrag ist nicht schon dann sittenwidrig, wenn er aus Sicht der Gesellschaft unklug erscheint – sondern nur, wenn er Ausdruck kollusiver Täuschung über deren Interessen ist. Das Urteil ist damit nicht nur ein Lehrstück in Sachen Stellvertretung und Wissenszurechnung, sondern auch ein Plädoyer für Augenmaß und rechtsstaatliche Differenzierung.
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