BGH zu Mitbewerbereigenschaft und Wettbewerbsverhältnis bei Plattform

Am 21. November 2024 hat der (BGH, I ZR 107/23) eine Entscheidung getroffen, die die Voraussetzungen für die Mitbewerbereigenschaft sowie das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG näher konkretisiert. Im Zentrum der Entscheidung stand die Frage, ob ein Plattformbetreiber, der Tickets vermittelt, als Mitbewerber eines Veranstalters von Fußballspielen angesehen werden kann.

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Zusammenschluss der Vereine der 1. und 2. Bundesliga, veranstaltet jährlich den DFL-Supercup. Die Beklagte betreibt eine Onlineplattform, über die Dritte Eintrittskarten verkaufen. Gegenstand der war unter anderem der Vorwurf, die Beklagte habe Tickets für den DFL-Supercup angeboten, bevor diese über autorisierte Kanäle verfügbar waren. Die Klägerin beanstandete diese Praxis als unlauteren Wettbewerb und forderte Unterlassung.


Rechtliche Würdigung

1. Anforderungen an die Mitbewerbereigenschaft

Der BGH hob hervor, dass die Mitbewerbereigenschaft nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UWG ein konkretes Wettbewerbsverhältnis voraussetzt. Ein solches Verhältnis besteht, wenn zwei Unternehmen gleichartige Waren oder Dienstleistungen für denselben Endverbraucherkreis anbieten, wodurch die Wettbewerbsmaßnahmen eines Unternehmens die geschäftlichen Interessen des anderen beeinträchtigen können. Dies gilt auch dann, wenn die Unternehmen auf unterschiedlichen Wirtschaftsstufen tätig sind. Entscheidend ist die Substituierbarkeit der angebotenen Leistungen aus der Sicht des Verbrauchers.

Im vorliegenden Fall sah der BGH keine Substituierbarkeit zwischen den Leistungen der Klägerin als Erstverkäuferin von Tickets und der Beklagten, die lediglich eine Plattform für den Weiterverkauf bereitstellt. Die Tätigkeit der Beklagten ist nicht darauf ausgerichtet, selbst Tickets anzubieten, sondern sie beschränkt sich auf die Vermittlung von Verkaufsangeboten Dritter. Damit fehle es an einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis unter dem Gesichtspunkt des Substitutionswettbewerbs.

2. Wettbewerbsverhältnis durch Wechselwirkungen

Der BGH stellte jedoch klar, dass ein Wettbewerbsverhältnis auch dann vorliegen kann, wenn die Leistungen der Parteien nicht substituierbar sind, zwischen ihnen jedoch eine wettbewerbliche Wechselwirkung besteht. Eine solche Wechselwirkung liegt vor, wenn die Geschäftspraktiken des Plattformbetreibers geeignet sind, die geschäftlichen Interessen des Veranstalters negativ zu beeinflussen.

Im Streitfall konnte eine solche Wechselwirkung durch die Werbung der Beklagten begründet sein. Insbesondere beanstandete die Klägerin Werbeaussagen wie „100 % garantiert“ und die Möglichkeit, Tickets auf der Plattform zu erwerben, bevor diese offiziell verfügbar waren. Der BGH sah in diesen Aussagen die Gefahr, dass der Eindruck entstehen könnte, die Klägerin unterstütze den Weiterverkauf, obwohl sie dies nicht tut. Dies könnte das Ansehen der Klägerin und die Vermarktung ihrer Tickets beeinträchtigen.

3. Mittelbares Wettbewerbsverhältnis

Ein mittelbares Wettbewerbsverhältnis, etwa durch die Förderung fremden Wettbewerbs, setzte nach Ansicht des BGH voraus, dass die Plattformbetreiberin den Wettbewerb eines Unternehmens unterstützt, das in direktem Wettbewerb zur Klägerin steht. Im vorliegenden Fall fehlte es jedoch an ausreichendem Vortrag der Klägerin dazu, dass gewerbliche Anbieter, die über die Plattform handeln, mit ihr konkurrieren. Die bloße Möglichkeit, dass auch unternehmerische Verkäufer die Plattform nutzen könnten, genügte dem BGH hierfür nicht.


Fazit

Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Mitbewerbereigenschaft nicht allein an der Substituierbarkeit von Leistungen hängt. Sie kann auch durch eine Wechselwirkung zwischen den Geschäftspraktiken zweier Unternehmen begründet werden, wenn diese geeignet sind, die Wettbewerbsposition des anderen zu beeinträchtigen. Damit stärkt der BGH den Schutz vor unlauteren Wettbewerbshandlungen, auch in Fällen, in denen die Parteien unterschiedlichen Marktstufen angehören.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften. Dabei bin ich fortgebildet in Krisenkommunikation und Compliance.

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