Beweiskraft von IP-Adressen im Strafprozess

Das Amtsgericht Bocholt, 3 Ds – 540 Js 1187/15 – 290/16, konnte sich zur Beweiskraft von IP-Adressen äussern und hierbei klarstellen, dass Auskünfte eines Access-Providers über die Zuordnung von Empfänger und IP.Adresse nur dann verbindlich sind, wenn der Provider garantiert, dass er zuverlässig und gewissenhaft gearbeitet hat und dass seinen Mitarbeitern auch die Konsequenzen von Fehlern bewusst gewesen ist.

So führt das Amtsgericht zutreffend aus:

Die Ermittlungsbehörden haben im Rahmen ihrer Tätigkeit nur die Möglichkeit, die IP Nummer des Rechners zu ermitteln, von dem die kinderpornographische Inhalte ins Netz gestellt werden. Dass diese Arbeit vorliegend sorgfältig erfolgt ist, haben die Ermittlungsbehörden dokumentiert und steht für das Gericht außer Frage. Allerdings sind die Ermittlungsbehörden auch auf die Mitarbeit der Provider angewiesen wenn es um die Frage geht, welchem Nutzer die IP Nummer zur fraglichen Zeit zugeordnet war.

Denn anders als Telefonnummern werden IP Nummern nicht statisch vergeben, sondern für jede Session neu. Dies bedeutet, dass sobald sich ein Rechner ins Internet einwählt, er vom Provider eine neue IP Nummer erhält. Meldet er sich ab wird die IP Nummer freigegeben und dritten Personen wird diese IP Nummer wieder zugeteilt. Nach Ermittlung der IP Nummer muss daher der Provider mitteilen, wem er konkret die IP Nummer in der fraglichen Zeit zugeordnet hat. Es wird seit langem darauf verwiesen, dass hier eine erhebliche Fehlerquelle besteht, da es durchaus zu Fehlern, Ablesefehlern, Zahlendrehern und ähnlichem kommen kann, die einer ordnungsgemäßen Beweisführung im Strafprozess entgegen steht (…)

Der BGH akzeptiert deshalb die Auskünfte des Providers über die Zuordnung von Empfänger und IP Nummer nur, wenn der Provider garantiert, dass er zuverlässig und gewissenhaft gearbeitet hat und dass seinen Mitarbeitern auch die Konsequenzen von Fehlern bewusst gewesen ist. Der Provider V hat dieser Erklärung jedoch nicht abgegeben, sondern im Gegenteil seine Auskunft mit dem Hinweis versehen, dass die Angaben zum Anschlussinhaber nur informatorisch seien und kein sicheres Beweismittel. Aufgrund der Fehleranfälligkeit, auf die in der juristischen Fachliteratur schon des Öfteren hingewiesen wurde, stelle das manuelle Heraussuchen des Anschlussinhabers und der entsprechenden IP Nummern keine belastbare Erkenntnis zum tatsächlichen Teilnehmer (Vertragspartner) dar. Die Firma V hat deshalb keinerlei Verantwortung für die Richtigkeit ihrer Auskünfte übernommen (…). Bei einer derart unsicheren Beweislage kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Anschlussinhaber vorliegend zutreffend ermittelt wurde.

Nun strotzt diese Entscheidung von einem gewissen Unverständnis, etwa wenn offenkundig übersehen wird, dass die im Internet regelmässig durch einen Router adressiert wird und insoweit nicht „der Rechner“ sondern der Router ausschlaggebend ist – gerade bei Kabelanbietern, um einen solchen dürfte es hier gegangen sein, werden dabei faktisch statische IP-Adressen vergeben, die mitunter über Monate gleich bleiben (hier haben die Behörden schlicht gepennt). Zugleich zeigt sich aber eben auch, dass auf Ebene der IP-Adresse erhebliches Verteidigungspotential liegen kann.

Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)
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Von Rechtsanwalt Jens Ferner (Fachanwalt für IT- & Strafrecht)

Ich bin Fachanwalt für Strafrecht + Fachanwalt für IT-Recht und widme mich beruflich ganz der Tätigkeit als Strafverteidiger und dem IT-Recht. Vor meinem Leben als Anwalt war ich Softwareentwickler. Ich bin Autor sowohl in einem renommierten StPO-Kommentar als auch in Fachzeitschriften.

Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Starke Strafverteidigung, seriöses Wirtschaftsstrafrecht, Arbeitsrecht und IT-Recht / Technologierecht.