Mit Beschluss vom 14. November 2024 hat das Thüringer Oberverwaltungsgericht (Az.: 3 EO 305/24) eine brisante Entscheidung zu den rechtlichen Grenzen amtlicher Äußerungen getroffen. Im Mittelpunkt des Falles stand die Frage, ob eine öffentliche Stelle berechtigt ist, bestimmte Informationen als „Fake News“ zu bezeichnen.
Diese Entscheidung wirft grundlegende Fragen zur Meinungsfreiheit, zur Neutralitätspflicht staatlicher Stellen und zur rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeit auf.
Sachverhalt
Die Antragstellerin begehrte im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Löschung bestimmter Textpassagen auf dem Facebook-Account einer Behörde. Diese Behörde hatte Äußerungen der Antragstellerin öffentlich als „Fake News“ bezeichnet. Das Verwaltungsgericht Meiningen (Az.: 2 E 522/24 Me) hatte den Antrag auf einstweilige Anordnung abgelehnt, woraufhin die Antragstellerin Beschwerde zum Thüringer Oberverwaltungsgericht einlegte.
Das Oberverwaltungsgericht wies die Beschwerde zurück. Es stellte fest, dass die Antragstellerin keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht habe. Besonders relevant war die Frage, ob die Bezeichnung „Fake News“ durch eine Behörde gegen das Willkürverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstößt.
Rechtliche Analyse
1. Maßstab für amtliche Äußerungen
Öffentliche Stellen sind an die Grundsätze des Rechtsstaatsprinzips gebunden, insbesondere an das Willkürverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dies bedeutet, dass amtliche Äußerungen sachlich, neutral und verhältnismäßig sein müssen. In seinem Leitsatz stellte das Gericht klar:
- Amtliche Äußerungen müssen sich an den rechtsstaatlichen Grundsätzen orientieren, insbesondere am Willkürverbot und an der Verhältnismäßigkeit.
- Die Bezeichnung „Fake News“ sei in sozialen Netzwerken oftmals mit manipulativer Absicht verbunden und könne daher problematisch sein.
Die Frage, ob eine Behörde berechtigt ist, eine Information als „Fake News“ zu qualifizieren, hängt somit davon ab, ob die Äußerung objektiv und verhältnismäßig erfolgt oder ob sie eine unzulässige Meinungsäußerung der Verwaltung darstellt.
2. Verstoß gegen das Willkürverbot?
Ein staatliches Verhalten verstößt gegen das Willkürverbot, wenn es jeglicher sachlicher Grundlage entbehrt oder rein politisch motiviert ist. Entscheidend ist daher die Prüfung, ob die Behörde bei der Bezeichnung als „Fake News“ eine objektive Grundlage hatte.
Das Oberverwaltungsgericht betonte, dass die Begrifflichkeit „Fake News“ in politischen Debatten häufig strategisch eingesetzt werde. Dies könne den Verdacht nahelegen, dass die Behörde nicht neutral handelte, sondern eine politische Wertung vornahm. Dennoch kam das Gericht im konkreten Fall zu dem Schluss, dass die Äußerung noch im zulässigen Rahmen lag.
3. Verletzung der Meinungsfreiheit der Antragstellerin?
Die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG schützt auch Meinungen, die umstritten oder sogar falsch sein können. Eine amtliche Äußerung, die bestimmte Aussagen als „Fake News“ bezeichnet, könnte daher eine mittelbare Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit darstellen.
Allerdings hat das Gericht klargestellt, dass der Staat grundsätzlich berechtigt ist, auf Fehlinformationen hinzuweisen, solange dies sachlich geschieht. Im konkreten Fall sah das Gericht keine unzulässige Einschränkung der Meinungsfreiheit, da die Bezeichnung der Äußerung als „Fake News“ in einem erkennbaren Kontext erfolgte.
4. Verhältnismäßigkeit der behördlichen Äußerung
Ein weiteres zentrales Prüfungskriterium ist der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Die Behörde darf nur solche Mittel verwenden, die geeignet, erforderlich und angemessen sind.
- Geeignetheit: Die Bezeichnung als „Fake News“ kann geeignet sein, um auf nachweislich falsche Informationen aufmerksam zu machen.
- Erforderlichkeit: Fraglich ist, ob es mildere Mittel gegeben hätte, um Fehlinformationen zu entkräften, etwa durch eine neutrale Richtigstellung statt einer wertenden Bezeichnung.
- Angemessenheit: Die Wortwahl „Fake News“ ist stark aufgeladen. Das Gericht ließ offen, ob eine neutralere Formulierung vorzugswürdig gewesen wäre, hielt die Äußerung im konkreten Fall aber für gerade noch zulässig.
Die Entscheidung des Thüringer Oberverwaltungsgerichts setzt wichtige Leitlinien für amtliche Äußerungen im digitalen Raum. Behörden müssen sich bei öffentlichen Stellungnahmen an rechtsstaatliche Grundsätze halten und sollten vermeiden, durch wertende Begriffe wie „Fake News“ in politische Auseinandersetzungen verwickelt zu werden.
Fazit
Obwohl die Beschwerde im konkreten Fall abgewiesen wurde, zeigt die Entscheidung, dass der Spielraum für behördliche Äußerungen begrenzt ist. Der Staat darf nicht in den Meinungswettstreit eingreifen, sondern muss sachlich und neutral informieren. Diese Grenze wurde hier nach Ansicht des Gerichts nicht überschritten – gleichwohl bleibt die Verwendung des Begriffs „Fake News“ durch staatliche Stellen ein sensibles Thema, das künftig weiter rechtlich diskutiert werden dürfte.
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