In einem bestimmten Alter – das manche geistig nicht hinter sich lassen können – aber auch in bestimmten Szenen ist der „Slogan“ „A.C.A.B. – All cops are bastards“ relativ verbreitet. Dabei tritt er in zwei wesentlichen Formen auf: Einmal als mündliche Äußerung gegenüber Polizeibeamten und einmal als „Aufnäher“ oder „Sticker“ an einem Kleidungsstück. Fraglich ist die Strafbarkeit, die in der Tat je nach Form anders zu beurteilen ist.
ACAB bedeutet nicht „Acht Cola Acht Bier“
Zuerst einmal ist festzustellen dass „ACAB“ durchaus für verschiedene Texte stehen kann, von „Acht Cola, Acht Bier“ bis hin zu „Autonome Chaoten argumentieren besser“. Allerdings ist inzwischen nicht nur festzustellen, dass die Abkürzung in ihrem Sinngehalt typisch ist, sondern dass etwa das OLG Stuttgart und OLG München zu Recht lebensnah argumentierend fragen, warum man einem Polizisten so etwas zu Rufen sollte? Das OLG München dazu:
Hierbei ist maßgeblich dafür, ob eine Äußerung die Missachtung eines anderen zum Ausdruck bringt, nicht, wie der Täter sie versteht oder wie der Empfänger sie tatsächlich verstanden hat, sondern wie er sie verstehen durfte, d.h. ihr durch Auslegung zu ermittelnder objektiver Sinngehalt (Lenckner/Eisele aaO). Es ist hierbei die Gesamtheit der äußeren und inneren Umstände zu berücksichtigen, insbesondere Ton, Alter, Stellung, persönliche Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten, die Anschauungsweise der beteiligten Kreise und ihre Gewöhnung an bestimmte Redewendungen, die Ortsüblichkeit bestimmter Ausdrücke und die Umstände, unter denen die Äußerung erfolgt ist (Lenckner/Eisele aaO).
Im Fazit ist festzustellen: Wer ACAB ausspricht, wird aus der Sache mit Verweis auf noch so abstruse andere Deutungsmöglichkeiten nicht mehr herauskommen. Sinngemäß ist mit den Worten des OLG Stuttgart zu sagen: Wo „ACAB“ gesagt wird, darf der Richter davon ausgehen, dass auch „All cops are bastards“ gemeint ist (so auch das OLG München).
Verwendung von A.C.A.B. auf einem Kleidungsstück
Sofern die Abkürzung nicht entäußert wird, sondern auf einem Kleidungsstück getragen wird, verneinte das Amtsgericht Tiergarten (238 Cs 877/99) sowie Landgericht Stuttgart (38 Ns 25 Js 34332/05) m.E. zu Recht eine strafbare Beleidigung. Zwar ist in diesem Fall eine so genannte „Kollektivbeleidigung“ zu erkennen. Allerdings ist die hier erfasste Gruppe derart umfangreich, dass sich kein einzelner Polizist deswegen betroffen fühlen kann, so das LG Stuttgart zutreffend, da
der fragliche Personenkreis der zu Beleidigenden, nämlich alle Polizisten auf der Welt, so groß ist, dass sich die ehrenrührige Äußerung in der Masse verliert und den Einzelnen nicht mehr erreicht. Unter diesen Umständen liegt eine strafbare Kollektivbeleidigung nicht vor.
Das Amtsgericht Stuttgart (12 Ds 25 Js 34332/05) sah das zwar noch anders, wurde aber vom Landgericht Stuttgart sodann mit obiger Ansicht zurück gewiesen. Problematisch dabei aber ist das Detail: Das Amtsgericht hatte noch festgestellt, dass der Betroffene zielgerichtet mit seiner Jacke die Nähe zu Polizisten gesucht hatte, wodurch eine Konkretisierung eingetreten sei – das Landgericht Stuttgart geht auf diese vertretbare Auffassung nicht mehr ein. Ähnlich wohl das Amtsgericht Diez (07.08.2008, Aktenzeichen nicht bekannt), das bei einem an einem Auto angebrachten Aufkleber eine strafbare Kollektivbezeichnung hinsichtlich „der Polizei“ gesehen hat.
Polizisten als Kollektiv beleidigen?
Eine solche Auffassung wäre freilich falsch, „die Polizei“ schlechthin ohne jegliche weitere Bezugnahme ist aus guten Gründen nicht so kollektiv Beleidigungsfähig, dass es auf den einzelnen Polizisten „durchschlägt“ (dazu nur Fischer, StGB vor §185, Rn.11). Allerdings kann jede Form von Konkretisierung ausreichend sein, die genügend Anlass gibt, damit sich die Äußerung auf eine bestimmte Zahl von Polizisten beschränkt. Das Lehrbuchbeispiel ist die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. (2 Ss 549/76), in der eine Kollektivbeleidigung „durchschlägt“, weil sich letztlich aus der Form ergeben hat, dass nur eine bestimmte Gruppe von Polizisten, die in einen ganz bestimmten Geschehensablauf verwickelt war, gemeint sein konnte. Dies liest man auch beim OLG München (4 OLG 13 Ss 571/13):
Voraussetzung der Beleidigung einer Mehrheit einzelner Personen unter einer Kollektivbezeichnung ist, dass es sich um einen verhältnismäßig kleinen, hinsichtlich der Individualität seiner Mitglieder überschaubaren Kreis handelt, d.h. der fragliche Personenkreis muss zahlenmäßig überschaubar sein und die bezeichnete Personengruppe muss sich auf Grund bestimmter Merkmale so deutlich aus der Allgemeinheit hervorheben, dass der Kreis der Betroffenen klar umgrenzt ist (Lenckner/Eisele aaO vor § 185 Rdn. 7, 7a, 7b; OLG München 5. Strafsenat Beschluss vom 19.10.2010 Az.: 5 StRR (II) 315/10). Da sich die herabsetzende Äußerung nach den Feststellungen des Gerichts vorliegend auf die Polizeibeamten, die als solche an dem konkreten Einsatz teilgenommen haben, bezieht, hebt sie diese Teilnahme in Verbindung mit ihrer Eigenschaft als Polizeibeamte eindeutig aus der Allgemeinheit heraus.
Bis hierhin ist also festzustellen, dass es sich grundsätzlich um eine Beleidigung unter Nutzung einer derart weiten Kollektivbezeichnung handelt, dass sie nicht automatisch auf den einzelnen Polizisten „durchschlägt“. Das heisst aber auch, weiter gedacht, dass jede Form der Konkretisierung zu berücksichtigen ist und die obigen Amtsgerichtsurteile zeigen, dass man da durchaus mit einer weiten Auslegung durch die Gerichte rechnen muss. Und natürlich: Wenn man es gegenüber einzelnen Polizisten auch noch mündlich äußert, ist der Paradefall der Konkretisierung gegeben.
Ansprache von Polizisten mittel „A.C.A.B.“
Einen solchen Paradefall hatte dann auch das zu dem Thema viel zitierte OLG Stuttgart (1 Ss 329/08) vor sich: Der Betroffene hatte nicht nur einen Polizisten mit den Worten „ACAB“ zielgerichtet angesprochen, sondern dabei auch noch mit dem Finger auf diesen einen Polizisten gezeigt. Genau genommen ist das nicht einmal eine Kollektivbeleidigung, sondern nur eine getarnte Individualbeleidigung, da sich in Kombination mit der Geste nur dieser eine Polizist angesprochen fühlen musste.
Anders für ein Transparent, das hochgehalten wurde, noch das LG Stuttgart (11 Ns 410 Js 5815/11). Dem widerspricht aber nunmehr das OLG Karlsruhe (1 (8) Ss 64/12- AK 40/12, hier bei uns) als Revisionsinstanz jedenfalls dann, wenn das Transparent in einem Stadion hochgehalten wird, hier sollen sich dann alle Polizisten im Stadion angesprochen fühlen. Beim OLG München sollen sich gleich alle Polizisten in und an einem Stadion angesprochen fühlen, denen man bestimmungsgemäß begegnet mit dem ACAB-Aufdruck auf der Hose.
Fazit
Es zeigt sich im Ergebnis hoffentlich: Die angeblich so widersprüchlichen Urteile passen in ein festes Muster, nämlich die Frage der Auslegung, ab wann eine kollektive Beleidigung auf ein Individuum „durchschlägt“, dass von dem Kollektivbegriff mit erfasst wird. Kriterium ist dabei die „Größe“ des Kollektivs, also die Frage, inwieweit die Gruppe durch Konkretisierungen abgegrenzt wird. Beispiel für die „untere Grenze“: Seinerzeit wurde die Gruppenbezeichnung „GSG9“ als geeignete Konkretisierung akzeptiert (OLG Köln in Fischer, vor §185, Rn.10). Und auch der Gedanke des Amtsgerichts Stuttgart, dass man ein Kleidungsstück gezielt im konkreten Fall so einsetzen kann, dass es als Individualisierte Beleidigung verstanden werden kann, ist dabei keinesfalls abwegig.
- Justizminister wünschen allgemeine Autoschlüssel-Kopie für Ermittler - 7. Dezember 2024
- KCanG: BGH zur Zusammenrechnung von Freimengen - 5. Dezember 2024
- BVerfG zu Encrochat: Keine generellen Beweisverwertungsverbote - 5. Dezember 2024