Nach § 35 AO hat derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters (§ 34 Abs. 1 AO), soweit er sie rechtlich und tatsächlich zu erfüllen vermag.
Verfügungsberechtigter ist, wer nach dem Gesamtbild der Verhältnisse rechtlich und wirtschaftlich in der Lage ist, über fremde Gelder zu verfügen und nach außen als Verfügungsberechtigter auftritt. Auftreten bedeutet eine über die Beziehungen zum Berechtigten hinausgehende Teilnahme am Wirtschafts- und Rechtsverkehr. Ein Auftreten gerade gegenüber den Finanzbehörden oder in steuerlichen Angelegenheiten ist nicht erforderlich.
Nimmt etwa ein faktischer Geschäftsführer eines Unternehmens tatsächlich Geschäftsführungsaufgaben wahr, reicht es aus, wenn er lediglich gegenüber einem „begrenzten Publikum“ zu erkennen gibt, dass er als solcher über das Vermögen verfügen kann, das Auftreten gegenüber dem „allgemeinen Publikum“ aber weisungsabhängigen Personen überlässt (BGH, 1 StR 586/12 und 1 StR 33/17).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs reicht zwar eine rein tatsächliche Verfügungsmacht nicht aus (vgl. BFH, Urteil vom 16. März 1995 – VII R 38/94 Rn. 22, BFHE 177, 209, 215; Beschluss vom 27. Mai 2009 – VII B 156/08 Rn. 9). Eine hinreichende Verfügungsmacht im Sinne des § 35 AO ist auch bei demjenigen zu bejahen, der aufgrund eines gemeinsamen Tatplans, mit dem die Beteiligten stillschweigend eine Weisungsbefugnis und -bindung vereinbaren, den Vertretenen steuern und über dessen Mittel verfügen kann (vgl. BGH, 1 StR 586/12, 1 StR 33/17 und 1 StR 374/22).
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