§3 Produkthaftungsgesetz definiert einen Produktfehler wie folgt:
Ein Produkt hat einen Fehler, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung aller Umstände […] berechtigterweise erwartet werden kann.
Die Frage, was berechtigterweise erwartet werden darf hat der BGH (VI ZR 1/12 ) nun nochmals behandelt und grundlegende Fragen geklärt. Mit dem BGH ist nicht auf die subjektive Sicherheitserwartung des jeweiligen Benutzers abzustellen, sondern objektiv darauf, ob das Produkt diejenige Sicherheit bietet, die die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält.
Wenn das Produkt für unterschiedliche Benutzergruppen bestimmt ist, muss es erhöhten Sicherheitsanforderungen genügen, die auf das Wissen und Gefahrsteuerungspotential der am wenigsten informierten und zur Gefahrsteuerung kompetenten Gruppe Rücksicht nehmen (so schon BGH, VI ZR 176/08). Es ist also zu unterscheiden, ob eine Abgabe nur an Fachleute vorgesehen ist oder auch an Laien.
Keine absolute Sicherungspflicht im Produkthaftungsrecht
Nicht aber ist jegliche auch nur theoretisch denkbare Gefahr zu berücksichtigen. Zur Gewährleistung der erforderlichen Produktsicherheit hat der Hersteller (nur) diejenigen Maßnahmen zu treffen, die nach den Gegebenheiten des konkreten Falles zur Vermeidung bzw. Beseitigung einer Gefahr objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind. Dabei sind Art und Umfang einer Sicherungsmaßnahme vor allem von der Größe der Gefahr abhängig. Bei erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit von Menschen sind dem Hersteller deshalb weitergehende Maßnahmen zumutbar als in Fällen, in denen nur Eigentums- oder Besitzstörungen oder aber nur kleinere körperliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind. Zwar müssen Produkte, die für den Endverbraucher bestimmt sind, erhöhten Sicherheitsanforderungen genügen, die auf Wissen und Gefahrsteuerungspotential des durchschnittlichen Konsumenten Rücksicht nehmen, jedoch kann auch der Verbraucher eine völlige Gefahrlosigkeit nicht erwarten (BGH, Urteil v. 17.03.2009 – VI ZR 176/08).
Beispiel: Fehlerhaftes Anschliessen und Produkthaftung
Die Gefahr, die sich erst aus einem fehlerhaften Anschliessen eines Produkts ergibt, ist etwa nicht zu berücksichtigen mit dem BGH, denn
Die berechtigte Sicherheitserwartung geht grundsätzlich nur dahin, dass von einem Produkt bei vorhersehbarer üblicher Verwendung unter Beachtung der Gebrauchs- bzw. Installationsanleitung keine erheblichen Gefahren für Leib 13 und Leben der Nutzer oder unbeteiligter Dritter ausgehen, das Produkt also so konzipiert ist, dass es unter Beachtung der Installations- und Gebrauchsanleitung bei bestimmungsgemäßem Gebrauch oder vorhersehbarem Fehlgebrauch gefahrlos benutzt werden kann (vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 1988 – VI ZR 91/87, BGHZ 104, 323, 328 f. – Limonadenflasche; vom 9. Mai 1995 – VI ZR 158/94, BGHZ 129, 353, 358 – Mineralwasserflasche II; vom 17. März 2009 – VI ZR 176/08, VersR 2009, 649, Rn. 11 – Kirschtaler; BT-Drucks. 11/2247 S. 18; Katzenmeier in Dauner-Lieb/Langen, aaO Rn. 2 f.; 10; Kullmann, ProdHaftG, 6. Aufl., § 3 Rn. 14; Müller, VersR 2004, 1073, 1075; Graf von Westphalen in Foerste/Graf von Westphalen, aaO Rn. 26).
Von einem Hersteller kann mit dem BGH daher nicht verlangt werden, für sämtliche Fälle eines unsorgfältigen Umgangs mit dem Produkt (wozu auch die fachwidrige Installation gehören kann) Vorsorge zu treffen.
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